Leitsatz
Die Bestimmung des § 400 AktG ist verfassungsgemäß.
Sachverhalt
Das LG hatte Thomas und Florian Haffa, Vorstandsmitglieder der EM.TV AG, wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen und Quartalsberichte nach § 400 Abs.1 Nr.1 AktG zu Geldstrafen verurteilt. Ihre Revision wurde vom BGH verworfen1. Auch eine Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos.
Entscheidung
Die Verurteilten beriefen sich gegenüber dem BVerfG auf die angeblich zu unbestimmte Formulierung des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Dem folgt der Senat nicht.
Das aus Art. 103 Abs. 2 GG resultierende Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen2. Das BVerfG ist der Auffassung, dass § 400 AktG diesen Anforderungen genügt.
Die Bestimmung3 pönalisiert die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse einer AG einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand oder in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung. Dieser Straftatbestand enthält damit mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, die sich aber mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden konkretisieren lassen.
Der Begriff der "Verhältnisse der Gesellschaft" hat jedenfalls durch seine Ausdeutung in Rechtsprechung und Schrifttum hinreichende Bestimmtheit gewonnen. Hierunter sind neben der Vermögenslage der Gesellschaft alle anderen Umstände zu verstehen, die die Situation der Gesellschaft im Wirtschaftsleben und in ihrem politischen und sozialen Umfeld kennzeichnen4.
Dem Bestimmtheitsgebot genügt auch der Begriff der "Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand". Während unter Übersichten Zahlenwerke zu verstehen sind, handelt es sich bei Darstellungen um Berichte jeder Art5. Beide Mitteilungsformen müssen sich auf den Vermögensstand der Gesellschaft beziehen. Der Begriff "Vermögensstand" ist der Auslegung zugänglich. Im Schrifttum besteht Einigkeit darüber, dass darunter nicht nur die aktuelle Vermögenslage der Gesellschaft zu verstehen ist. Entsprechend dem Normzweck, das Vertrauen von Personen, die zu der Gesellschaft in rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehung stehen oder unmittelbar in eine solche Beziehung eintreten wollen, zu schützen6, gehören hierzu auch die Ertragslage der Gesellschaft und andere für ihre wirtschaftliche Entwicklung bedeutsame Faktoren7. Anhand der so konkretisierten Rechtsbegriffe des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist für den Normadressaten die Strafbarkeit seines Verhaltens hinreichend erkennbar.
Praxishinweis
Auch § 370a AO wird unter Hinweis auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot verbreitet als verfassungswidrig eingestuft8. Angesichts der Ausführungen des BVerfG dürfte diese Auffassung nicht haltbar sein. Der Senat verweist darauf, dass auch eine Strafnorm unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten darf. Ihre Bedeutung muss sich lediglich durch "fachgerechte" juristische Auslegung ermitteln lassen. Dies ist den Gerichten auch bezüglich des in § 370a AO verwendeten Begriffs der Steuerhinterziehung "großen Ausmaßes" möglich9. Der Beschluss lässt erwarten, dass ein entsprechendes Normenkontrollverfahren nicht dazu führen wird, dass das BVerfG § 370a AO als verfassungswidrig einstuft.
Link zur Entscheidung
BVerfG-Beschluss vom 27.4.2006, 2 BvR 131/05