1 Leitsatz
Vor einer Beschlussfassung über kostenintensive Erhaltungsmaßnahmen sind mehrere Alternativangebote einzuholen sind. Die Pflicht zur Einholung von Alternativangeboten gilt auch bei Folgeaufträgen.
2 Normenkette
§ 18 Abs. 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen, in 3 Wohnungen die Fenster zu reparieren. Für die Reparatur soll das Angebot der X-GmbH angenommen werden. Ferner wird beschlossen, die Y-GmbH zu beauftragen, gemäß ihrem Angebot die Grundsielleitungen zu reparieren. Vor der Versammlung hatte der Verwalter für die Erneuerung der Holzfenster 2 Angebote eingeholt und 2 weitere für die Reparatur der Grundsielleitungen. Gegen diese Beschlüsse geht Wohnungseigentümer K vor. Er bemängelt, es habe nicht genügend Angebote gegeben.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! Die Wohnungseigentümer hätten bei der Beschlussfassung jeweils das ihnen zustehende Ermessen unterschritten. Sie hätten sich nämlich für ihre Entscheidungen keine ausreichende Tatsachengrundlage verschafft. Die Wohnungseigentümer müssten das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und dürften keine überteuerten Aufträge erteilen. Außerdem müssten sie eine technisch einwandfreie Lösung wählen, die eine dauerhafte Beseitigung vorhandener Mängel und Schäden verspreche. Es habe sich daher quasi als "Gewohnheitsrecht" durchgesetzt, vor dem Beschluss über eine Erhaltungsmaßnahme mehrere Alternativ- oder Konkurrenzangebote einzuholen. Die Anzahl stehe zwar in ihrem Ermessen. Im Fall sei die Einholung von jeweils nur 2 Angeboten aber ermessensfehlerhaft gewesen. Die beklagten Wohnungseigentümer hätten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht dargetan, welche Maßnahmen der Verwalter rechtzeitig vor der Versammlung ergriffen hatte, um eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zu ermöglichen. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei der Reparatur der Grundsielleitungen um Folgeaufträge gehandelt habe. Denn auch dann seien neue Angebote einzuholen. Im Übrigen habe es sich bei den früheren Aufträgen lediglich um kleinere Reparaturarbeiten gehandelt, sodass man nicht von einem "Folgeauftrag" sprechen könne. Richtig sei, dass es derzeit wegen der hohen Nachfrage und der Auslastung der (Handwerks-)Unternehmen im Einzelfall nicht möglich sei, mehrere Angebote einzuholen. Im Fall hätten die Wohnungseigentümer aber nicht konkret dargetan, dass der Verwalter zur sachgerechten Vorbereitung der Versammlung mehrere Konkurrenz- bzw. Alternativangebote bei in Betracht kommenden Unternehmen abgefragt und eine entsprechende Dokumentation darüber gepflegt habe.
5 Hinweis
Das AG erinnert zum einen an die zwar angegriffene, aber ständige Rechtsprechung, die den Verwalter dazu verpflichtet, vor Erhaltungsmaßnahmen oder einem Vertragsschluss über eine andere Verwaltungsmaßnahme grundsätzlich mehrere Angebote einzuholen. Wichtig für die Verwalter sind insoweit 2 Hinweise des AG:
- Der eine besteht darin, dass sich an der Verpflichtung nichts ändert, wenn es sich um einen "Folgeauftrag" handelt. Hier wird im Fall auch besonders deutlich, dass man über diesen Begriff streiten kann und sein Begriffskern nicht bereits dann erfüllt ist, wenn der entsprechende Werkunternehmer für irgendwelche anderen Aufgaben bereits in der Wohnungseigentumsanlage tätig war.
- Der andere Hinweis besteht darin, dass es im begründeten Einzelfall durchaus möglich ist, weniger oder nur ein Angebot vorzulegen, wenn es nicht möglich war, mehrere Angebote einzuholen. Diesen Umstand muss der Verwalter aber in den Verwaltungsunterlagen transparent dokumentieren. Ferner sollte er ihn den Verwaltungsbeiräten mitteilen und den Wohnungseigentümern in der Versammlung erklären. Hieran fehlte es im Fall.
6 Entscheidung
AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 23.4.2021, 980b C 33/20