a) Überblick
Rz. 116
Ist dem Verbundverfahren eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 aus der Ehesache oder einer Folgesache vorausgegangen, so ist diese hälftig, höchstens zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr des Verbundverfahrens anzurechnen (VV Vorb. 3 Abs. 4).
Rz. 117
Achtzugeben ist, dass nach VV Vorb. 3 Abs. 4 nur bei demselben Gegenstand anzurechnen ist. Daran fehlt es, wenn der Anwalt außergerichtlich mit dem Trennungsunterhalt beauftragt war und im gerichtlichen Verfahren den Auftrag für den nachehelichen Unterhalt erhält.
Beispiel: Der Anwalt hatte außergerichtlich über Trennungsunterhalt verhandelt. Später wird er beauftragt, Unterhalt für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung geltend zu machen.
Eine Anrechnung scheidet aus, da Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt zwei verschiedene Gegenstände sind.
Beispiel: Der Anwalt hatte außergerichtlich über die Überlassung der Ehewohnung während der Trennungszeit verhandelt. Später wird die Überlassung der Ehewohnung nach Rechtskraft der Scheidung im Verbund anhängig gemacht.
Eine Anrechnung scheidet aus, da die Überlassung der Ehewohnung für die Trennungszeit einen anderen Gegenstand betrifft als die Überlassung der Ehewohnung nach Rechtskraft der Scheidung.
b) Anrechnung in der Ehesache
Rz. 118
Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht kann der Anwalt auch hinsichtlich der Ehesache außergerichtlich tätig werden, etwa indem der Trennungszeitraum abgeklärt wird, indem die Voraussetzungen einer einvernehmlichen Scheidung geklärt oder auch nur die Trennungsvoraussetzungen geschaffen werden. Daher kommt auch insoweit eine Anrechnung in Betracht.
c) Anrechnung in einer Folgesache
Rz. 119
Möglich ist auch, dass nur aus einer Folgesache anzurechnen ist.
Beispiel: Der Anwalt hatte außergerichtlich über Zugewinn verhandelt. Nachdem keine Einigung erzielt werden konnte, wurde der Anspruch auf Zugewinnausgleich als Folgesache im Verbund anhängig gemacht. Das FamG setzt die Werte wie folgt fest: Ehesache 9.000 EUR, Versorgungsausgleich 2.700 EUR, Güterrecht 30.000 EUR.
Angefallen ist jetzt die Geschäftsgebühr aus dem Wert des Zugewinns i.H.v. 30.000 EUR (§ 23 Abs. 1 S. 3). Aus diesem Wert ist die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen.
I. |
Außergerichtliche Vertretung Zugewinn |
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(Wert: 30.000 EUR) |
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1. |
1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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1.241,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.261,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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239,69 EUR |
Gesamt |
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1.501,19 EUR |
II. |
Verbundverfahren |
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(Wert: 41.700 EUR) |
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1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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1.557,40 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65 aus 30.000 EUR |
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– 620,75 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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1.437,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.394,25 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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454,91 EUR |
Gesamt |
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2.849,16 EUR |
d) Anrechnung in Kindschaftssachen
Rz. 120
Ein Anrechnungsproblem kann sich hier wegen der unterschiedlich zu berechnenden Gegenstandswerte ergeben, wenn der Anwalt in einer Kindschaftssache außergerichtlich tätig war und diese dann als Folgesache im Verbund anhängig gemacht wird. Insoweit gilt VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4 entsprechend. Angerechnet wird nur nach dem Wert der Folgesache, es sei denn, der Wert der vorgerichtlichen Tätigkeit ist ausnahmsweise geringer. Dann gilt nur der geringere Wert.
Beispiel: Der Anwalt war außergerichtlich hinsichtlich des Umgangsrechts tätig und hat ausgehend von dem Regelwert des § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG wie folgt abgerechnet:
I. |
Umgangsrecht (Wert: 4.000 EUR) |
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1. |
1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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361,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
381,40 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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72,47 EUR |
Gesamt |
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453,87 EUR |
Es kommt hiernach zum Scheidungsverfahren (Werte: Ehesache 6.000 EUR; Versorgungsausgleich 1.200 EUR). Das Umgangsrecht wird als Folgesache anhängig gemacht. Der Wert der Folgesache Umgangsrecht wird gem. § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG auf 1.200 EUR festgesetzt.
Die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr wird jetzt hälftig nur aus dem Wert des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, also nur, soweit sie aus 1.200 EUR angefallen wäre.
Abzurechnen ist wie folgt:
II. |
Verbundverfahren (Wert: 8.400 EUR) |
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1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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725,40 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65 aus 1.200 EUR |
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– 82,55 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
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669,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.332,45 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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253,17 EUR |
Gesamt |
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1.585,62 EUR |
e) Anrechnung in Fällen des § 15 Abs. 3
Rz. 121
Achtzugeben ist, wenn im Verbundverfahren eine volle und eine ermäßigte Verfahrensgebühr anfallen, so dass nach § 15 Abs. 3 zu kürzen sein kann. Nach einhelliger Rspr. ist erst anzurechnen und dann zu kürzen.
Beispiel: Der Anwalt ist im Scheidungsverfahren (Ehesache 9.000 EUR; Versorgungsausgleich 2.700 EUR) tätig. Außergerichtlich wird er mit der Geltendmachung von Trennungsunterhalt beauftragt, über den im Scheidungstermin eine Einigung erzielt wird.
Aus dem Wert des Scheidungsverbundverfahrens erhält der Anwalt eine 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100. Aus dem Wert des Trennungsunt...