1 Leitsatz
Sondereigentum kann auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks, wie z. B. Gartenflächen, erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die Räume bleiben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache. Die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume ist grundsätzlich zu vermuten, insbesondere bei der Verbindung einer Wohnung mit einem Garten. Das Grundbuchamt hat die Fragen nur bei konkreten anderweitigen Anhaltspunkten zu prüfen.
2 Normenkette
§ 3 Abs. 2 WEG
3 Das Problem
T teilt sein Grundstück in 3 Wohnungseigentumsrechte auf. Das Grundbuchamt meint, die Gartenfläche vor dem Wohnungseigentum Nr. 1 könne nicht zu diesem Eigentum als Sondereigentum gebucht werden. T sieht das nicht so. Der Wert der Gartenfläche (306,40 m²) betrage nur ca. 1/10 des Kaufpreises für das Wohnungseigentum Nr. 1. T legt daher eine Beschwerde ein.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Sondereigentum könne gem. § 3 Abs. 2 WEG in der seit dem 1.12.2020 geltenden Fassung auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks, wie z. B. Gartenflächen, erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die Räume blieben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache.
Dass Letzteres hier der Fall sei, sei nicht ersichtlich. Die Sichtweise des Grundbuchamts sei unverständlich. Ohnehin sei die Hauptsacheeigenschaft der Wohnung bzw. der Räume grundsätzlich zu vermuten, insbesondere bei der Verbindung einer Wohnung mit einem Garten. Das Grundbuchamt habe diese Frage nur bei konkreten anderweitigen Anhaltspunkten zu prüfen. Diese gebe es nicht.
Soweit das Grundbuchamt bemängele, dass die gem. § 3 Abs. 3 WEG zur Bestimmung des Grundstücksteils erforderlichen Maßangaben dem Aufteilungsplan in der Teilungserklärung und der Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht zu entnehmen seien und auch mit dem Antrag des T nicht vorgetragen worden seien, sei dies unverständlich. Dem Antrag sei die Abgeschlossenheitsbescheinigung der unteren Bauaufsichtsbehörde im Original beigefügt worden. Dieser wiederum habe der Aufteilungsplan auch in Bezug auf die Außenfläche des Wohnungseigentums Nr. 1 beigelegen, in dem diese sowohl farblich als auch durch die notwendigen Maßangaben überaus deutlich bestimmt und bezeichnet sei.
5 Hinweis
Problemüberblick
Das Sondereigentum kann nach § 3 Abs. 2 WEG auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks erstreckt werden, es sei denn, die Wohnung oder die nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume bleiben dadurch wirtschaftlich nicht die Hauptsache. Fraglich ist, wann diese Ausnahme vorliegt.
Wirtschaftliche Hauptsache
Blickt man auf § 1 Abs. 2 ErbbauRG, an den § 31 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 2 WEG angelehnt sind, so sollte die Erstreckung dem Erbbaurechtsberechtigten die Nutzung des Hofraums oder auch eines größeren Gartens oder Ackerstücks ermöglichen. Um jedoch zu verhüten, dass auf dem Umweg über das Erbbaurecht die vom BGB abgeschaffte Erbpacht wieder eingeführt werden könnte, wurde darauf abgestellt, dass das Bauwerk im Verhältnis zum Grundstück wirtschaftlich die Hauptsache bleiben muss. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass diese Feststellung nicht jederzeit leicht zu treffen ist.
Entscheidend ist nach heute h. M. die Verkehrsanschauung. Maßgeblich ist, auf objektive wirtschaftliche Kriterien abzustellen. Die reine Flächengröße, der reine Verkehrswert, die Nutzung und sein Schwerpunkt oder subjektive Vorstellungen sind belanglos. Terrassen und Gartenflächen werden in aller Regel nicht als wirtschaftliche Hauptsache anzusehen sein. Für die Frage, ob die Wohnung oder der Raum die wirtschaftliche Hauptsache ist, kommt es nur auf den Zeitpunkt der Begründung des Annexeigentums an. Spätere (bauliche) Veränderungen sind unerheblich.
Das OLG meint, man könne vermuten, dass der Ausgangspunkt der Erstreckung die Hauptsache bilde. Im Gesetz steht das nicht. Für die Praxis ist dieses Denken auch nicht förderlich. Denn dadurch ist es leichter möglich, dass im Einzelfall eine Erstreckung erlaubt bzw. nicht genauer geprüft wird, obwohl der Ausgangspunkt der Erstreckung nicht die Hauptsache bildet.
6 Entscheidung
OLG Rostock, Beschluss v. 24.10.2022, 3 W 82/22