Leitsatz
Ein am 6.8.1987 geborener Sohn nahm seinen Vater im Wege der Abänderungsklage auf Zahlung höheren Unterhalts in Anspruch. Er lebte mit seiner am 21.6.1989 geborenen Schwester im Haushalt seiner Mutter, die lediglich ein Nettoeinkommen von 880,00 EUR monatlich erzielte. Er besuchte die Schule mit dem Ziel, im Jahr 2007 das Abitur zu absolvieren.
Mit der von ihm erhobenen Abänderungsklage begehrte er eine Erhöhung des Kindesunterhalts ab April 2005 von monatlich 150,00 EUR auf 284,00 EUR. Das AG gewährte ihm Prozesskostenhilfe nur mit der Maßgabe, dass ihm ab Volljährigkeit im August 2005 monatlich 205,00 EUR zustehen. Das Gericht legte in seiner Berechnung die Einkommensgruppe 2 und die Altersstufe 4 (ab 18 Jahre) der Düsseldorfer Tabelle Stand 1.7.2005 zugrunde und ging von einem Betrag von 359,00 EUR aus. Hiervon wurde das Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR in voller Höhe abgezogen und der Betrag von 205,00 EUR errechnet.
Gegen den PKH-Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, die erfolgreich war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, die beabsichtigte Klage habe in vollem Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg und sei nicht mutwillig.
Das Kindergeld sei gem. § 1612b Abs. 1 BGB nur zur Hälfte und nicht in voller Höhe auf den Unterhaltsanspruch des Klägers anzurechnen. Allein die Volljährigkeit des Klägers führe nicht dazu, von der Regelung des § 1612b Abs. 1 BGB abzuweichen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur sei umstritten, ob das Kindergeld für das volljährige Kind nur zum Teil oder in voller Höhe abzuziehen ist, falls nur ein Elternteil leistungsfähig und damit barunterhaltspflichtig ist (für eine volle Anrechnung OLG Düsseldorf v. 30.10.1998 - 3 WF 201/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 272 = FamRZ 1999, 1452; OLG Schleswig FamRZ 2000, 1245; OLG Braunschweig v. 9.5.2000 - 2 UF 9/00, FamRZ 2000, 1246; OLG Brandenburg v. 19.6.2002 - 9 WF 41/02, OLGReport Brandenburg 2003, 19 = FamRZ 2003, 553; OLG Celle v. 13.8.2003 - 15 UF 48/03, OLGReport Celle 2003, 446 - FamRZ 2004, 218; OLG Koblenz v. 13.6.2003 - 13 WF 414/03, OLGReport Koblenz 2004, 89 = FamRZ 2004, 562; OLG München v. 1.6.2004 - 12 UF 1104/04, NJW-RR 2005, 231; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 831; Born in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1612b Rz. 53; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1612b Rz.6, in Abweichung von der Voraufl.; für eine hälftige Anrechnung OLG Nürnberg NJW-RR 2000, 687; OLG Celle v. 2.5.2000 - 17 UF 236/99, OLGReport Celle 2000, 281 = FamRZ 2001, 47; OLG Brandenburg v. 1712.2001 - 9 WF 186/01, OLGReport Brandenburg 2002, 221 = FamRZ 2002, 1216; Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz.515; Erman/Hammermann, § 1612b Rz. 14).
Das Kindergeld erhält nach dem Obhutsprinzip des § 64 Abs. 2 EStG der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind wohnt. Bei Leistungsunfähigkeit dieses Elternteils trägt der andere Elternteil den Barunterhalt grundsätzlich allein. Gem. § 1612b Abs. 1 BGB ist die Hälfte des Kindergeldes anzurechnen, § 1612b Abs. 3 BGB geht von einer vollen Anrechnung aus, greife dem Wortlaut nach allerdings in der vorliegenden Fallkonstellation nicht ein, da auch der Elternteil, bei dem das Kind wohnt, Anspruch auf Kindergeld gem. § 62 EStG hat. Im vorliegenden Fall habe es daher beim Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 1612b Abs. 1 BGB - der Anrechnung des Kindergeldes nur zur Hälfte - zu verbleiben.
Diese Anrechnung belaste den leistungsfähigen Barunterhaltspflichtigen nicht unbillig. Die Situation hat sich allein durch die Volljährigkeit des Kindes nicht verändert. Das Kind wohnt weiterhin bei seiner Mutter, geht zur Schule und wird von der Mutter weiterhin versorgt. Die Leistungen der Mutter gegenüber dem volljährigen Kind, nämlich Versorgung und Deckung des Wohnbedarfs sind genau die Leistungen, die der Zweckbestimmung der Kindergeldes entsprechen und dürfen - jedenfalls im Fall eines privilegierten volljährigen Kindes - nicht zum Entzug des hälftigen Kindergeldes führen (vgl. auch Soyka, FuR 2005, 97 ff.).
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 09.09.2005, 11 WF 257/05