Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Kein Anspruch auf Anbringung einer Dach-Parabolantenne für einen gebürtigen Oberschlesier, der mit deutscher Staatsangehörigkeit seit 3 Jahrzehnten als Spätaussiedler in Deutschland lebt
Normenkette
§ 14 WEG, § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
1.Der Anschluss der Wohnungseigentumsanlage an das Breitbandkabelnetz gehört zu einer mehrheitlich beschließbaren sog. modernisierenden Instandsetzung, wenn eine vorhandene - schon etwa 30 Jahre alte - Gemeinschaftsantenne reparaturbedürftig ist und selbst bei deren vollständiger Erneuerung wegen der ungünstigen Lage des Gebäudes oder zu schwacher Sendeleistung bekannter Privatsender kein ausreichender Fernsehempfang sichergestellt werden kann. Zum verfassungsrechtlich geschützten Informationsinteresse der Wohnungsnutzer gehören nicht nur der Empfang der öffentlich-rechtlichen Programme, sondern darüber hinaus auch die üblicherweise mit Hilfe des Breitbandkabels zu empfangenden Privatsender, zu denen insbesondere RTL und SAT 1 zählen. Empfangbarkeit ist zu gewährleisten, selbst wenn der Anschluss an das Breitbandkabel hier deutlich höhere Kosten (Anschlussgebühren, Hausverkabelung) verursacht als eine Antennenreparatur.
Ein Fernsehempfang ist dann als nicht ausreichend anzusehen, wenn mit Hilfe der Gemeinschaftsantenne, die neben den drei öffentlich-rechtlichen Programmen auch auf die Privatsender RTL und SAT 1 ausgerichtet ist, SAT 1 nur in diesem räumlichen Bereich der Wohnungseigentumsanlage stark verrauscht empfangen werden kann.
2.Das Interesse eines gebürtigen Oberschlesiers (der auch jahrelang im polnischen Sprachraum gelebt hat, seit über drei Jahrzehnten als Spätaussiedler allerdings die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und in Deutschland lebt) am Empfang in Polen ausgestrahlter Fernsehprogramme (empfangbar hier nur über Parabolantenne über Dach) ist bei Abwägung der Interessen der übrigen Wohnungseigentümer geringer zu gewichten, als das eines auf Dauer in Deutschland lebenden ausländischen Wohnungseigentümers.
Zwar mag das Informationsinteresse dieses Spätaussiedlers an seinem früheren Heimatland beachtenswerter sein, als dasjenige eines sonst allgemein an Polen interessierten Deutschen; es ist aber andererseits weniger schwer zu gewichten, als das eines auf Dauer in Deutschland lebenden Ausländers, der seine ausländische Staatsangehörigkeit beibehält. Denn durch das Bekenntnis zur deutschen Staatsangehörigkeit und durch die Aussiedlung hat hier der betreffende Beteiligte die Bindung an sein früheres Heimatland entscheidend gelockert und sieht nunmehr Deutschland als seine Heimat an. Damit tritt sein Interesse, die kulturellen und sprachlichen Verbindungen mit seinem früheren Heimatland aufrechtzuerhalten, deutlich in den Hintergrund.
Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Gesamteindruck des Gebäudes durch die geplante Parabolantenne über Dach wesentlich beeinträchtigt wird; geplant war nämlich die Befestigung der Antenne am Kamin auf der Rückseite des Hauses mit einem Durchmesser von 85 cm; dies ist eine erheblich über der üblichen Größe (60 cm) liegende Größe, die selbst ins Auge fällt, wenn sie in der Färbung der Farbe des Hauses angepasst ist. Dies gilt umso mehr, als die Anbringung am Kamin geplant ist, mithin an einer exponierten Stelle des Hauses. Dies fällt selbst dann unangenehm auf, wenn es sich um die Rückseite eines Hauses handelt und braucht von den übrigen Eigentümern nicht hingenommen zu werden.
Vorgenannte tatsächliche und rechtliche Feststellungen des Landgerichts sind rechtsfehlerfrei und überwiegend auch für das Rechtsbeschwerdegericht bindend.
Die Entscheidung entspricht auch der bisher herrschenden Rechtsmeinung in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen.
3.Keine außergerichtliche Kostenerstattung in der Rechtsbeschwerdeinstanz bei Wert des Gegenstandes von DM 5.000,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 09.10.1997, 15 W 245/97)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer