Leitsatz

Wohnungseigentümer müssen eine Anbringung von Briefkästen im Hauseingangsbereich durch diejenigen Wohnungseigentümer, die einen solchen für sich beanspruchen, zumindest solange dulden, bis eine Briefkastenanlage für das gesamte Objekt vorhanden ist

 

Normenkette

§ 21 Abs. 4 WEG; Art. 10 GG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer lehnen mehrheitlich den Antrag eines Miteigentümers ab, für jeden Wohnungseigentümer an der Außenseite der Wohnungseigentumsanlage – einer Ferienanlage – Briefkästen anzubringen.
  2. Zum Zeitpunkt des Antrags verfügt die Wohnungseigentumsanlage lediglich über einen gemeinsamen Briefkasten, zu dem auch nur 2 Wohnungseigentümer einen Schlüssel haben. Dieser Briefkasten wird nach Bedarf durch diese 2 Wohnungseigentümer geleert und auf dem Tresen der Rezeption eines Hotels ausgelegt. Ein Wohnungseigentümer meint, durch diese Praxis werde gegen das Postgeheimnis verstoßen. Er verklagt daher die anderen Wohnungseigentümer auf Duldung eines separaten Briefkastens. Die beklagten Wohnungseigentümer meinen, es bestehe für separate Briefkästen kein Bedarf. Die Wohnungen der Anlage würden als Ferienwohnungen vermietet, sodass ohnehin keine Post anfalle.
 

Entscheidung

  1. Die Klage hat Erfolg! Der Beschluss widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Kläger könne als Maßnahme einer ordnungsmäßigen Verwaltung nach § 21 Abs. 4 WEG die Duldung der Anbringung eines Briefkastens verlangen.
  2. Einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche es, dass eine Anbringung von Briefkästen im Hauseingangsbereich durch diejenigen Wohnungseigentümer, die einen solchen für sich beanspruchen, zumindest solange zu dulden ist, bis sich die Wohnungseigentümer zu einer Installation einer Briefkastenanlage für das gesamte Objekt entschlossen hätten. Allein eine solche Entscheidung entspreche dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen.
  3. Aufgrund der hier praktizierten Handhabung der Postverwahrung und -zuteilung bestehe die Befürchtung, dass das nach Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Brief- und Postgeheimnis der Kläger verletzt werde. Der Schutzbereich dieses Grundrechts umfasse nicht nur den Inhalt der Kommunikation, sondern auch die Daten der am Kommunikationsprozess beteiligten Personen. Gelange die Briefpost nicht in einen dem jeweiligem Empfänger zugeordneten Briefkasten, so sei nie ganz auszuschließen, dass eine Vielzahl von Personen über die Art der Postsendung oder deren Absender Kenntnis erlangt. Das gelte insbesondere dann, wenn die Post auf einem allgemeinzugänglichen Rezeptionstresen abgelegt werde. Indes habe der einzelne Wohnungseigentümer regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, dass den übrigen Wohnungseigentümern nicht offenbart werde, welche Tages- oder Wochenzeitung er beziehe, vom wem er sonst Postsendungen erhalte und ob sich darunter womöglich auch Mahnschreiben von Inkassoinstituten befänden.
  4. Auch bei einer Ferienwohnung sei es nicht ausgeschlossen, dass diese nicht nur zu Urlaubszwecken, sondern längerfristig genutzt werde. Dann aber müsse das Postgeheimnis durch die Bereitstellung von Briefkästen gewährleistet werden. Der Anspruch der Kläger sei auf eine uneingeschränkte Duldung eines Briefkastens gerichtet. Eine zeitliche Beschränkung, etwa bis zur Umsetzung einer von den Wohnungseigentümern beschlossenen Installation einer einheitlichen Briefkastenanlage für das gesamte Objekt, komme nicht in Betracht. Sollte Derartiges geschehen, wäre es bei etwaigen Streitigkeiten über einen von den Klägern genutzten individuellen Briefkasten zunächst Sache der Wohnungseigentümer, sich hiermit zu befassen.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Entscheidung mutet etwas "exotisch" an. Das Verlangen nach Briefkästen ist jedenfalls nicht alltäglich.
  2. Außen an der Wohnungseigentumsanlage angebrachte Briefkästen stehen im gemeinschaftlichen Eigentum und sind daher vom Verwalter zu "verwalten". Der Verwalter muss nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG also sichten, ob sie instand zu halten oder instand zu setzen sind. Die Kosten hierfür haben grundsätzlich alle Wohnungseigentümer zu tragen. Wie Briefkästen gestaltet werden, können die Wohnungseigentümer durch Beschluss bestimmen.
  3. Im Treppenhaus (oder gar neben der jeweiligen Wohnungseingangstür) angebrachte Briefkästen könnten im Sondereigentum stehen. Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Insoweit sollte der Verwalter ggf. bei den Wohnungseigentümern nachfragen, wie sie die Briefkästen behandelt sehen wollen.

Was ist für Verwalter wichtig?

  1. In vergleichbaren Fällen sollte der Verwalter nur "moderieren". Weder ist es an ihm, zu entscheiden, ob es zu Briefkästen kommt, noch kann er in dieser Diskussion Wesentliches zum "Ob" beitragen.
  2. Anders ist es beim "Wie". Der Verwalter muss für das "Wie" (welche Briefkästen? wo anbringen? wer bringt an? welche Kosten? bauliche Veränderung oder Modernisierung?) das Notwendige veranlassen.
 

Link zur Entscheidung

LG Itzehoe, Urteil v. 12.4.2013, 11 S 98/12

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