Leitsatz
Eine volljährige Tochter nahm ihren Vater auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Sie lebte noch im Haushalt ihrer Mutter, war Schülerin und galt gem. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB als privilegiertes Kind. Sie hatte eine minderjährige im Jahre 1990 geborene Schwester, die ebenfalls in dem Haushalt der Mutter lebte. Ihrem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde nur teilweise stattgegeben. Gegen diesen Beschluss legte sie Beschwerde ein, die im Wesentlichen Erfolg hatte.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG ging von einer unterhaltsrechtlichen Gleichrangigkeit der Klägerin und ihrer minderjährigen Schwester aus.
Der Bedarf der Klägerin bemesse sich nach Ziff. 13.1.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern. Ein Vorwegabzug des Unterhalts für die minderjährige Schwester der Klägerin vom Einkommen des Beklagten vor der Berechnung des Bedarfs der Klägerin sei nicht vorzunehmen. Sofern kein Mangelfall vorliege, könne die Klägerin ihren Unterhaltsbedarf aus dem vollen Einkommen ihrer Eltern herleiten, wie es sich ohne vorherige Berücksichtigung anderweitiger Unterhaltspflichten errechne.
Ob von diesem Betrag das Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR monatlich bedarfsdeckend in Abzug zu bringen sei, könne nach derzeitiger Gesetzes- und Rechtsprechungslage nicht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens zu Lasten der Klägerin entschieden werden, da diese Frage bislang höchstrichterlich nicht entschieden sei und in der Literatur kontrovers diskutiert werde. Mit Urteil vom 26.10.2005 (BGH v. 26.10.2005 - XII ZR 34/03, MDR 2006, 518 = BGHReport 2006, 93 m. Anm. Bißmaier = FamRZ 2006, 99) habe der BGH entschieden, dass dann, wenn ein Elternteil allein für den Barunterhalt eines volljährigen (auch privilegiert volljähriges) Kindes aufzukommen habe, das Kindergeld in voller Höhe bedarfsdeckend auf den Bedarf des Kindes anzurechnen sei. Eine hiervon abweichende Fallgestaltung habe der BGH nicht zu entscheiden gehabt. Im Anschluss an die Entscheidung des BGH seien in der Literatur unterschiedliche Ansichten zu dem Problemkreis vertreten worden. Angesichts der nach wie vor bestehenden rechtlichen Unsicherheit sei im Prozesskostenhilfeverfahren zugunsten der Klägerin diejenige Alternative zu unterstellen, die günstiger sei. Dies sei vorliegend die Anwendung des § 1612b Abs. 2 BGB auch für die Kindergeldverrechnung bei volljährigen Kindern, da diese den Beklagten lediglich im Umfang des hälftigen Kindergeldes entlaste und nicht, wie bei einem bedarfsdeckenden Vorwegabzug in Höhe seines gegenüber der Mutter mehr als hälftigen Haftungsanteils.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.04.2006, 17 WF 57/06