Zusammenfassung
Im Spruchverfahren können einem Antragsteller im Einzelfall ausnahmsweise nach Billigkeitsgesichtspunkten die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners für das Beschwerdeverfahren auferlegt werden.
Hintergrund
In dem Spruchverfahren betreffend die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Etienne Aigner AG, München, schlossen die Verfahrensbeteiligten vor dem Landgericht einen Vergleich, mit dem die von der Hauptversammlung festgelegte Barabfindung zugunsten der Minderheitsaktionäre von 190 EUR auf 215 EUR je Aktie erhöht wurde. Lediglich ein Antragsteller trat dem Vergleich nicht bei, sondern hielt seinen Antrag auf Festsetzung einer höheren Barabfindung aufrecht. Das Landgericht wies seinen Antrag zurück, wogegen der Antragsteller Beschwerde einlegte – allerdings eigenhändig und nicht durch einen Rechtsanwalt. Auf Hinweis des Vorsitzenden, dass im Beschwerdeverfahren Anwaltszwang herrsche und die Beschwerde daher unzulässig sei, nahm der Antragsteller die Beschwerde zurück. Das Gericht hatte daher nur noch über die Kosten zu entscheiden.
Der Beschluss des OLG München vom 13.12.2016 – Az. 31 Wx 186/16
Das OLG München legte dem Beschwerdeführer nicht nur die Gerichtskosten (§ 15 SpruchG), sondern auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin auf. Es nahm zwar zur Kenntnis, dass der BGH eine Erstattungspflicht für außergerichtliche Kosten des Antragsgegners in einem Grundsatzurteil abgelehnt hatte, unter anderem weil es an einer gesetzlichen Grundlage im Spruchverfahrensgesetz hierfür gefehlt hatte. Das OLG argumentierte aber zutreffend (und entgegen vielen Stimmen in der juristischen Literatur), dass das nach der BGH-Entscheidung in Kraft getretene Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) nunmehr eine solche Kostenverteilungsregel in § 84 FamFG enthalte, die auch gemäß § 17 SpruchG im Spruchverfahren anzuwenden sei. Ebenso folgte das OLG München nicht dem weiteren Argument, auf das der BGH seine damalige Entscheidung gestützt hatte, nämlich dass im Spruchverfahren zwischen dem Antragssteller (einem Aktionär) und dem Antragsgegner (regelmäßig einer Kapitalgesellschaft) ein starkes wirtschaftliches Ungleichgewicht bestehe und es deshalb unbillig sei, dem Aktionär die Kosten des Antragsgegners aufzuerlegen. Denn im Beschwerdeverfahren gelte dieser Grundsatz nur abgeschwächt, da bereits eine Instanz verhandelt und entschieden habe. Es sei deshalb auch mit den Besonderheiten des Spruchverfahrens vereinbar, einem Beschwerdeführer, der ein für ihn angesichts der klaren Rechtsbehelfsbelehrung erkennbar unzulässiges Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts einlege, die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerseite aufzuerlegen.
Anmerkung
Der Beschluss des OLG München betrifft einen Einzelfall, der sich in dieser Form vermutlich nur selten wiederholen wird und bei dem auf den ersten Blick deutlich wird, dass es unbillig wäre, wenn die Antragsgegnerin auf ihren Kosten sitzenbliebe. Die Bedeutung der Entscheidung liegt aber vor allem darin, dass das OLG München die rechtsdogmatische Grundlage dafür herausgearbeitet hat, dass und wie Gerichte nach Inkrafttreten des FamFG auf unbillige Klagen von Berufsklägern reagieren können. Denn der (gut gemeinte) Regelungsrahmen des Spruchverfahrensgesetzes hat, unterstützt durch eine sehr klägerfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, zu einer professionalisierten Klageindustrie geführt, die das Spruchverfahren nutzt, um in der Niedrigzinsphase ihre Kapitalrendite zu maximieren. Der Grundidee des Schutzes der Kleinaktionäre (Stichwort: "T-Aktie") dient dies wenig, sondern bedeutet umgekehrt vor allem eine enorme Kostenbelastung für die Unternehmen – und damit für alle Aktionäre. Es ist daher rechtspolitisch ausdrücklich zu begrüßen, dass das OLG München einen ersten Schritt gegangen ist, dieser Entwicklung gegenzusteuern.