Leitsatz

Im Scheidungsverbundverfahren war dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten bewilligt worden. Zunächst waren nur die Ehescheidung und der Versorgungsausgleich Gegenstand des Verfahrens, ab September 2004 war auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn der Parteien streitig. Mit Beschluss vom 5.1.2005 ist das Verfahren zur elterlichen Sorge auf Antrag des Antragstellers gem. § 623 Abs. 2 S. 2 ZPO aus dem Scheidungsverbund abgetrennt und als isoliertes Verfahren fortgeführt worden. Im Verbundverfahren wurde die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Das isolierte Sorgerechtsverfahren wurde im Mai 2005 durch Vergleich der Parteien beendet.

Nach Abschluss der Verfahren wurden von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zwei Kostenerstattungsanträge zu den Verfahren, die mit unterschiedlichen Aktenzeichen geführt wurden, eingereicht, denen nur teilweise stattgegeben wurde.

Gegen die nur teilweise Erstattung der von ihm in Ansatz gebrachten Kosten hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Erinnerung eingelegt, die zurückgewiesen wurde. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Beschwerde eingelegt.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts und des Bezirksrevisors vertritt das OLG die Auffassung, dass dem beigeordneten Prozessbevollmächtigten für das abgetrennte Verfahren gesonderte Gebühren zu vergüten sind.

Anders als das AG meint, liegt hier nicht der Fall einer Vorabentscheidung über den Scheidungsantrag gem. § 628 ZPO vor. Im Fall des § 628 ZPO behält die abgetrennte Folgesache ihren Charakter als solche und ist daher gebührenrechtlich mit der vorab entschiedenen Scheidungssache und den sogleich entschiedenen Folgesachen dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 31 Abs. 3 BRAGO. Im vorliegenden Fall hat das AG hier auf Antrag des Antragstellers hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts den Weg des § 623 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO beschritten und eine "echte" Verfahrenstrennung mit der Folge vorgenommen, dass zwei selbständige Familiensachen entstanden sind. Bei dieser Fallgestaltung kann der Rechtsanwalt wählen, ob er die Gebühren aus dem Verfahren vor der Abtrennung oder aus den zwei Verfahren nach der Abtrennung verlangt, allerdings unter Anrechnung der vor der Abtrennung bereits entstandenen Gebühren (OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 136 f., OLG Karlsruhe JurBüro 1999, 383 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 23.12.2004 - 15 WF 347/04; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rz. 52; Keske in Gerhard/von Heintschel/Heineck/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Aufl., Kapitel 17, Rz. 262 ff.).

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat den Weg gewählt, Gebühren aus den zwei Verfahren nach Abtrennung geltend zu machen. Bei der Berechnung der Gebühren für das Scheidungsverbundverfahren und das isolierte Sorgerechtsverfahren ist insgesamt die BRAGO zugrunde zu legen. Gem. § 61 RVG findet die BRAGO dann Anwendung, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG vor dem 1.7.2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist.

Zwar streiten sich die Parteien erst seit September 2004 um das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Gem. § 15 i.V.m. § 16 Nr. 4 RVG sind eine Scheidungssache und die Folgesachen jedoch als dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 anzusehen. Das Scheidungsverbundverfahren mit dem Antrag auf Scheidung und Durchführung des Versorgungsausgleichs ist vor dem 1.7.2004 rechtshängig geworden. Die Erweiterung des Scheidungsverbundes um den Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht stellt insofern eine Fortführung derselben Angelegenheit dar. Aufgrund dessen ist hier die BRAGO für die Gebührenberechnung insgesamt maßgeblich.

 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 17.11.2005, 15 WF 319/05

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