Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 44 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 2 FGG
Kommentar
1. Die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels (hier: Erstbeschwerde) wird dann nicht gewahrt, wenn die ausdrücklich an das Landgericht (LG) adressierte Rechtsmittelschrift am letzten Tag der Frist in einem allein für das Amtsgericht (AG) bestimmten Nachtbriefkasten eingeworfen wird und an diesem Tag nicht mehr an das LG gelangt. Geht die Rechtsmittelschrift erst am folgenden Tag nach Weiterleitung an die gemeinsame Einlaufstelle beim LG ein, kann aufgrund Verschuldens des anwaltlichen Vertreters keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Im vorliegenden Fall ist die Rechtsmittelschrift weder beim AG eingelegt worden, weil dieses an der nicht für das AG bestimmten Beschwerdefrist keinen Gewahrsam erlangt hat, noch beim LG, weil das für das LG bestimmte Schriftstück nicht fristgemäß in dessen Verfügungsgewalt gelangt ist. Es war jedoch das LG vom Beschwerdeführer ausdrücklich als Empfangsstelle des Rechtsmittels ausgewählt worden. Nach Auskunft des betreffenden AG würden bei eigener Einlaufstelle eingehende Schriftstücke, die zweifelsfrei an ein anderes Gericht adressiert seien, keinen Eingangsstempel erhalten und unverzüglich an den richtigen Empfänger weitergeleitet werden; dies entspreche § 9 Abs. 3 S. 3 der Allgemeinen Dienstordnung für die Behandlung von "Irrläufern", deren Fehlleitung sich bereits aus der Aufschrift auf dem Briefumschlag ergebe.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Erstbeschwerdeverfahren darf i.Ü. abgesehen werden, wenn das LG das Rechtsmittel als unzulässig verwirft.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 08.02.1990, BReg 1 b Z 12/89)
zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
Eine m.E. sehr "anwaltsfeindliche" und ausschließlich formalistisch (innerbetrieblich) begründete Entscheidung im Hinblick auf die Form- und Fristbestimmung im wohnungseigentumsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren ! Entscheidend muss doch bleiben, ob eine Rechtsmittelschrift innerhalb der ohnehin sehr kurzen 2-Wochen-Frist beim Erstgericht oder beim Erstbeschwerdegericht eingegangen ist und zwar unabhängig davon, an welches Gericht beider möglichen, für den Eingang der Erstbeschwerdeschrift zuständigen Gerichtsstellen der Beschwerdeschriftsatz adressiert wurde. Es muss doch von "einheitlicher Justiz" zumindest in diesem Zuständigkeitsbereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgegangen werden, insbesondere dann, wenn sowohl das Ausgangsgericht als auch das Instanzgericht für die Inempfangnahme einer Rechtsmittelschrift empfangskompetent sind. Sicher kann keine WEG-Beschwerde fristwahrend z.B. beim Arbeits- oder Sozialgericht eingelegt werden; im vorliegenden Fall ist jedoch bei richtiger funktioneller Zuständigkeit fristgemäß die Beschwerdeschrift in den zuständigen Justizeingang gelangt. Ob im Münchner Amtsgerichtsbereich hier die gleichen strengen innerdienstlichen Richtlinien gelten wie im entschiedenen Fall beim AG Nürnberg (kein Eingangsstempel bei einem beim AG eingeworfenen, jedoch an das LG adressierten Schriftsatz!?), muss bezweifelt werden.
[Die Entscheidung dürfte kaum mehr heute h.R.M. entsprechen.]