Leitsatz

Der Beklagte wurde durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des AG vom 5.4.2005 zur Zahlung rückständigen und laufenden Trennungs- und Kindesunterhalts verurteilt.

Mit Telefax vom 15.6.2005 beantragte er, die Frist zur Begründung seiner rechtzeitig eingelegten Berufung bis zum 18.7.2005 zu verlängern. Noch am gleichen Tag ging ihm per Fax der gerichtliche Hinweis zu, dass die Begründungsfrist bereits am 14.6.2005 abgelaufen sei. Darauf beantragte der Beklagte mit einem am 29.6.2005 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Begründungsfrist um einen Monat zu verlängern.

Am 29.6.2005 verfügte der Vorsitzende des Berufungssenats, dass die Begründungsfrist bis zum 14.7.2005 verlängert werde. Die Begründung ging am 14.7.2005 ein.

Durch Beschluss vom 19.7.2005 wies das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der sein Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt.

Die Rechtsbeschwerde war statthaft, hatte in der Sache jedoch keinen Erfolg.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG, dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben. Die von dem Vorsitzenden des Zivilsenats beim OLG verfügte Fristverlängerung war unwirksam, da die Begründungsfrist bereits einen Tag vor Eingang des Verlängerungsantrages abgelaufen war. Der Beklagte hatte zwar rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt und die versäumte Prozesshandlung nachgeholt. Wiedereinsetzung war jedoch auch nach Auffassung des BGH nicht zu gewähren.

Bei der Fristeneintragung in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten waren diverse Fehler unterlaufen. Zunächst wurden Berufungsfrist und Begründungsfrist richtig notiert, später jedoch von einer anderen Angestellten irrtümlich nach den alten Regeln der ZPO neu eingetragen. Die zuvor hierfür schon eingetragene Frist wurde von der zweiten Angestellten allerdings nicht gestrichen, so dass sich an sich dieser Fehler nicht hätte auswirken dürfen. Hinzu kam allerdings, dass die Beschwerdefrist gegen die PKH ablehnende Entscheidung ebenfalls auf den (richtigen) Tag des Fristablaufs der Berufungsbegründung fiel. Im Fristenbuch wurde unter der bereits auf diesen Tag notierten Berufungsbegründungsfrist der Zusatz angebracht "Ablauf sofortige Beschwerde PKH AG Ulm heute".

Nachdem die Prozessbevollmächtigte entschieden hatte, sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden PKH-Beschluss nicht einzulegen, wurden beide Fristen als erledigt gestrichen.

Der BGH ließ weitere mögliche Organisationsfehler dahinstehen und bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts schon mit der Begründung, dass verschiedene Fristen in Verfahren mit gleichen Beteiligten deutlich voneinander getrennt zu notieren sind, entweder durch Angabe des Gegenstands oder eines Aktenzeichens. Schon das Fehlen einer allgemeinen Anweisung, dass grundsätzlich bei zwei oder mehr Rechtsmitteln in der Angelegenheit eines Mandanten die Frist für jedes dieser Rechtsmittel auch bei gleichzeitigem Fristablauf gesondert notiert wird, stelle einen Organisationsfehler dar, der der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung entgegensteht.

Gerade wegen der - besonders in Familiensachen gegebenen - Verwechslungsgefahr wäre eine solche Einzelanweisung nur beim Bestehen der erforderlichen allgemeinen Anweisung hinreichend klar und geeignet gewesen, die irrtümliche Veränderung eines früheren, eine andere Frist betreffenden Eintrags im Fristenbuch zu verhindern.

 

Hinweis

Diese Entscheidung ist gerade für Familienrechtler besonders interessant, weil gerade hier häufig Parallelverfahren mit den gleichen Beteiligten anhängig sind, die auch noch den gleichen Namen tragen.

In der Praxis ist also bei der Fristenkontrolle in Familiensachen besondere Vorsicht geboten. Dem hiermit befassten Personal sind genaue Anweisungen zur Fristennotierung zu erteilen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 09.11.2005, XII ZB 140/05

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