Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Auf die faktische Gemeinschaft sind alle Bestimmungen des WEG (auch die verfahrensrechtlichen) analog anzuwenden
Abberufungsbegehren gegen einen Verwalter aus wichtigem Grunde nur ausnahmsweise durch den einzelnen Eigentümer durchsetzbar
Bestätigung eines wichtigen Abberufungsgrundes bei Vereinbarung einer Verwalter-GmbH mit einer anderen Verwaltungs-GmbH über "gemeinsame Verwaltung"
Eingeschränkte Entlastungswirkung
Normenkette
§ 21 Abs. 4 WEG, § 26 WEG, § 43 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Auf eine "faktische"oder "werdende"Wohnungseigentümergemeinschaft sind die Vorschriften des WEG über das Verfahren, das Gemeinschaftsverhältnis und die Verwaltung entsprechend anzuwenden. Ist davon auszugehen, dass Käufer von Eigentumswohnungen noch nicht im Grundbuch eingetragen wurden, ist die Gemeinschaft damit noch nicht "rechtlich in Vollzug gesetzt"; es handelt sich hier noch um eine sog. werdende oder faktische Gemeinschaft. Auf diese sind jedoch alle Bestimmungen des WEG (auch verfahrensrechtliche) nach h.R.M. anzuwenden.
Ob allerdings eine werdende Gemeinschaft erst entsteht, wenn die Wohnungsgrundbücher angelegt sind (so OLG Hamm, DNOZ 68, 489; KG Berlin, NJW- RR 86, 1274; Palandt/Bassenge, BGB 56. Aufl. Rn. 6 vor § 1 WE; a.A. Weitnauer/Lüke, 7. Aufl., § 10 Rn. 3; offen gelassen in BayObLGZ 1990, 101/102; 1991, 150/152), konnte auch im vorliegenden Fall offen bleiben, da diese Voraussetzung jedenfalls inzwischen erfüllt ist.
2. In erster Linie entscheiden die Eigentümer in einer Versammlung über die Abberufung des Verwalters. Dies bedeutet aber nicht, dass über diese Frage in jedem Fall in der Versammlung abgestimmt werden müsste, bevor das Gericht angerufen werden kann (h.M.). Es reicht aus, wenn sich die Versammlung - wie hier - mit dem Gegenstand "Abberufung des Verwalters"befasst hat; dass es nicht zur Abstimmung darüber gekommen ist, hat im vorliegenden Fall nicht der Antragsteller zu vertreten, sondern der Versammlungsleiter.
3. Die Tätigkeit eines Verwalters ist grundsätzlich an dessen Person gebunden. Zwar darf sich der Verwalter bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben der Unterstützung durch Hilfspersonen bedienen, seine Befugnisse und Aufgaben aber nicht ohne Zustimmung der Eigentümer ganz oder teilweise auf einen Dritten übertragen (vgl. §§ 675, 613, 664 BGB).
Wurde - wie hier - eine juristische Person (GmbH) zum Verwalter bestellt, so nehmen deren Organe - unterstützt durch Hilfspersonen - die Aufgaben des Verwalters wahr. Das ändert dann auch nichts daran, dass eine bestimmte Person zum Verwalter bestellt ist und sich die Eigentümer keine andere Person als Verwalter oder Mitverwalter aufdrängen lassen müssen. Im vorliegenden Fall hat die bestellte GmbH wesentliche Bereiche ihrer Verwaltertätigkeit zu eigenverantwortlicher Erledigung auf ein anderes Unternehmen (eine weitere GmbH) übertragen, und zwar zum Zwecke "gemeinsamer Verwaltung". Die andere Firma sollte Buch- und Kontenführung übernehmen, den Wirtschaftsplan und die jährliche Abrechnung aufstellen; Eigentümerversammlungen sollten von der bisherigen Verwaltung und der weiteren Gesellschaft gemeinsam vorbereitet und abgehalten werden. Der neuen Firma sollten 2/3 der "jeweils erzielten Verwaltergebühr" zustehen. Somit sollte die neue Firma nicht als Erfüllungsgehilfin oder als "Hilfskraft" im Sinne entsprechender Verwaltervertragsregelung tätig werden, sondern als zumindest gleichberechtigte Mitverwaltung.
Die Vereinbarung durch zwei Verwaltungsgesellschaften läuft jedoch auf die Gründung einer Gesellschaft brügerlichen Rechts (GbR) mit dem Zweck gemeinsamer Verwaltung hinaus ( § 705 BGB). Es kann hier dahinstehen, ob die Vereinbarung bereits gem. § 134 BGB nichtig ist, da eine GbR nicht Verwalterin im Sinne des WEG sein kann (h.M., BGHZ 107, 268, BayObLGZ 89, 4/7).
Jedenfalls stellt diese Regelung einen wichtigen Grund für die Abberufung der Antragsgegnerin als Verwalterin dar; denn diese zeigt, dass ihre Organe entweder nicht willens oder nicht fähig sind, das gemeinschaftliche Eigentum dieser Wohnanlage eigenverantwortlich zu verwalten. Eigentümern ist die Zusammenarbeit mit ihr deshalb nicht länger zuzumuten.
4. Wurde eine Verwaltung "nach Genehmigung der Abrechnung" einstimmig entlastet, trifft es zwar zu, dass die Abberufung nicht auf Gründe gestützt werden kann, auf die sich eine dem Verwalter erteilte Entlastung erstreckt. Vorliegend haben Eigentümer jedoch die Entlastung nach Genehmigung der Abrechnung, d.h. im Zusammenhang mit dieser, erteilt. Dies bedeutet in der Regel, dass sie sich nur auf solche Vorgänge bezieht, die mit der Abrechnung zusammenhängen und in ihr dargestellt zu werden pflegen; vor allem handelt es sich dabei um die in die Abrechnung aufgenommenen Ausgaben und deren Berechtigung.
Auch wenn sich die Entlastung der Antragsgegnerin darüber hinaus auf alle Verwaltungshandlungen erstrecken sollte, bleibt sie ohne Einfluss auf die hier getroffene Vereinbarung und deren Auswirkungen ("Doppelverwaltung"); denn hier handelt es sich nicht ...