Leitsatz

§ 48 Abs. 4 WEG ist auf ein Urteil nach § 21 Abs. 8 WEG, das einen Beschluss der Wohnungseigentümer ersetzt, nicht – auch nicht analog – anwendbar.

 

Normenkette

WEG §§ 21 Abs. 8, 28 Abs. 5, 48 Abs. 4

 

Das Problem

  1. Das Amtsgericht – WEG-Gericht – ordnet nach § 21 Abs. 8 WEG im Wege der Beschlussersetzung durch rechtskräftiges Versäumnisurteil Folgendes an:

    "Die Wohnungseigentümer beschließen, im Haus 37 alle Kellertüren und die Kellerzwischenwände/Trennwände aus Holz durch Kellertüren und Zwischenwände aus einem anderen Material (z.B. Kunststoff/Metall o.Ä. in Leichtbauweise) zu ersetzen. Der Verwalter soll 3 Angebote von Fachfirmen einholen und den Auftrag an den kostengünstigsten Anbieter vergeben. Die Kosten tragen die Wohnungseigentümer entsprechend ihrer Miteigentumsanteile. Der Verwalter wird beauftragt, eine Sonderumlage in Höhe des Auftragswertes und entsprechend der jeweiligen Miteigentumsanteile von den Wohnungseigentümern zu erheben und den Auftrag erst nach vollständigen Gutschriften zu erteilen."

    Aufgrund dieses Urteils holt der Verwalter 3 Angebote ein. Das günstigste beläuft sich auf 5.136,99 EUR brutto. Unter Zugrundelegung des für Erhaltungsmaßnahmen vereinbarten Umlageschlüssels "Miteigentumsanteile" würden auf Wohnungseigentümer B Kosten in Höhe von 3.393,53 EUR entfallen. V fordert diesen Betrag ohne weiteren Beschluss erfolglos von B ein.

  2. Die Wohnungseigentümer ermächtigen daraufhin nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG den V, den Betrag namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K unter Beauftragung eines Rechtsanwaltes gerichtlich geltend zu machen. Das Amtsgericht verurteilt B entsprechend. Dagegen führt B Berufung. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

  1. Es fehle bereits an der Grundlage für die Erhebung der Sonderumlage. Grundsätzlich ergebe sich ein Anspruch auf Zahlung einer Sonderumlage aus § 16 Abs. 2 WEG in Verbindung mit einem Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage. Im Fall gebe es keinen solchen Beschluss, sondern lediglich den im Wege der Beschlussersetzung gemäß § 21 Abs. 8 WEG ergangenen "Beschluss". Der Ermächtigungsbeschluss des Amtsgerichts gebe indes keine Höhe der Sonderumlage an. Diese sei auch nicht nach objektiven Maßstäben eindeutig bestimmbar und könne von den Wohnungseigentümern selbst, etwa mittels Taschenrechner, nicht errechnet werden. Dies führe – ebenso wie bei einem eigenen Beschluss der Wohnungseigentümer – zur Nichtigkeit des betreffenden Teils des Urteilstenors.
  2. Der Annahme einer Nichtigkeit stehe die Rechtskraft des beschlussersetzenden Urteils nicht entgegen. § 48 Abs. 4 WEG sei für den Fall einer rechtskräftigen Beschlussersetzung durch Versäumnisurteil nicht, auch nicht analog, anwendbar. Der Schwerpunkt der gerichtlichen Prüfung bei einer Beschlussersetzungsklage liege auf der Prüfung der Punkte, die für den von der Klägerseite geltend gemachten Beschlussersatz sprächen. Dies gelte umso mehr für eine Entscheidung durch Versäumnisurteil, da in diesem Fall lediglich eine Schlüssigkeitsprüfung (und keine Erheblichkeitsprüfung des Beklagtenvorbringens) durchzuführen sei. Da die scharfe Wirkung des § 48 Abs. 4 WEG ihre Rechtfertigung allein in der umfassenden Prüfung der Anträge durch das Gericht und dem weiten Gegenstand einer Anfechtungsklage finde, sei eine analoge Anwendung jedenfalls im Fall nicht geboten: dem Versäumnisurteil sei kein langwieriges Verfahren vorangegangen. Im Übrigen sei der Wortlaut des § 48 Abs. 4 WEG eindeutig. Wendete man die Norm analog auf ein einer Beschlussersetzungsklage stattgebendes Versäumnisurteil an, wäre das eine dreifach analoge Anwendung (Beschlussersetzungsklage statt Anfechtungsklage, Stattgabe statt Abweisung und Versäumnisurteil statt streitigem Endurteil). In diesem Fall drängte sich die nicht überzeugend zu beantwortende Frage auf, weshalb der Gesetzgeber dann überhaupt eine Einschränkung auf die Abweisung von Anfechtungsklagen bestimmt und § 48 Abs. 4 WEG nicht weitergehend ausformuliert habe.
 

Kommentar

Anmerkung

Schlechte Fälle machen schlechte Urteile. Wie wäre es richtig gewesen? Das Amtsgericht – wegen der Subsidiarität der Entscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG, die das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer so weit wie möglich wahren muss – hätte den Verwalter nach der Entscheidung, die Kellertüren und Zwischenwände aus Holz durch ein anderes Material zu ersetzen, (nur) anweisen müssen, auf dieser Grundlage 3 Angebote einzuholen. Ferner hätte es den Verwalter anweisen müssen, den Wohnungseigentümern diese zu präsentieren. Die Wohnungseigentümer wären dann anzuweisen gewesen, nach ihrem Ermessen das beste Angebot auszuwählen. Ferner wären die Wohnungseigentümer anzuweisen gewesen, nach ihrem Ermessen zu bestimmen, mit welchen Mitteln der Austausch der Kellertüren und Zwischenwände aufgrund welchen Umlageschlüssels bezahlt werden. Unter Verletzung des Selbstorganisationsrechts der Wohnungseigentümer ist das Amtsgericht über diese Maßnahmen indes hinausgegangen. Soweit es dem Verwalter befohlen hat, "eine...

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