Der Insolvenzverwalter kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Betrieb des Schuldnerunternehmens weiterführen. Dies wird in der Regel nur möglich sein, wenn er die Dienste von Angestellten, Arbeitern und unabhängig Beschäftigten weiter in Anspruch nimmt. Daraus entstehen der Masse Forderungen. Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis sind Entgelt, Provisionen, Zuschläge, Urlaubsgelder, Spesengelder und sonstige Vergütungen. Arbeitnehmerforderungen können im Insolvenzverfahren entstehen, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb fortführt, einzelne Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten betraut oder die Arbeitsverhältnisse bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des § 113 InsO noch fortbestehen. Die Arbeitnehmer können auch aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Lohnforderungen haben. Arbeitnehmer im Sinne der Insolvenzordnung sind die abhängig beschäftigten Mitarbeiter (Auszubildende, Arbeiter und Angestellte). Dazu gehören auch Heimarbeitsverhältnisse und Arbeitnehmer, die unter das Seemannsgesetz fallen. Der Insolvenzverwalter kann auch Freiberufler für die Masse beschäftigen, z. B. Stundenbuchhalter, Steuerberater, Gutachter etc. Aus diesen Dienstverhältnissen können ebenfalls Forderungen entstehen. Im Folgenden wird abgehandelt, wie die Forderungen zu qualifizieren sind.
1.7.1 Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückständige Lohnforderungen
Beendigung der Arbeitsverhältnisse vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Das Schuldnerunternehmen erwirtschaftet seit Monaten Verluste. Der Betriebsinhaber entschließt sich, den Betrieb stillzulegen. Er kündigt allen Arbeitnehmern und stellt einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wird eröffnet. Im Zeitpunkt der Eröffnung sind die Arbeitsverhältnisse beendet. Die Arbeitnehmer haben Lohnrückstände von 4 Monaten aus der Zeit vor der Eröffnung des Verfahrens.
Alle Arbeitnehmer hatten ihre Lohnansprüche bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens. Sie haben daher Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO.
1.7.2 Beschäftigung der Arbeitnehmer durch den vorläufigen Insolvenzverwalter
Weiterbeschäftigung durch vorläufigen Insolvenzverwalter
Der Inhaber des Schuldnerunternehmens hat einen Insolvenzantrag gestellt. Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist noch nicht entschieden. Der Betrieb des Unternehmens ist nicht stillgelegt. Lohnrückstände bestehen nicht. Von dem Insolvenzgericht wird zur Sicherung der Masse ein vorläufiger Verwalter bestellt. Dem Verwalter wird die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldnerunternehmens übertragen. Der vorläufige Verwalter führt das Schuldnerunternehmen über 6 Wochen fort und beschäftigt während dieser Zeit die Arbeitnehmer weiter. Nach 6 Wochen wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Für den Zeitraum der vorläufigen Verwaltung von 6 Wochen wird von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld an die Arbeitnehmer gezahlt.
Der vorläufige Verwalter hat die Arbeitsleistung der Beschäftigten 6 Wochen in Anspruch genommen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten die Entgeltansprüche der Arbeitnehmer für die Zeit der vorläufigen Verwaltung (hier 6 Wochen) als Masseforderungen gemäß § 55 Abs. 2 InsO.
Wird für die Zeit der vorläufigen Verwaltung an die Arbeitnehmer zunächst Insolvenzgeld gezahlt, ist der Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen die Masse ebenfalls eine Masseforderung gemäß § 55 Abs. 2 InsO. Der vorläufige Verwalter muss daher grundsätzlich darauf achten, dass er in der Lage ist, die Arbeitnehmerforderungen auszugleichen, da er sich ansonsten schadensersatzpflichtig machen kann.
1.7.3 Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Insolvenzeröffnung
Der Insolvenzverwalter kündigt einem Arbeitnehmer ordentlich mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende (§ 113 Abs. 1 InsO). Der Arbeitnehmer arbeitet bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter in dem Schuldnerunternehmen. Lohnrückstände aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung bestehen nicht.
Das Arbeitsverhältnis bestand im Zeitpunkt der Kündigung 15 Jahre. Der insolvente Arbeitgeber hätte gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB außerhalb des Insolvenzverfahrens mit einer Frist von 6 Monaten kündigen können.
Da der Insolvenzverwalter die Leistung des Arbeitnehmers nach Eröffnung des Verfahrens in Anspruch genommen hat, ist die Entgeltforderung des Arbeitnehmers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Masseforderung gemäß § 55 Abs. 1 InsO. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Insolvenzverwalters 3 Monate früher beendet worden, als es bei einer Kündigung durch den insolventen Arbeitgeber beendet worden wäre.
Hier wirkt sich die im Insolvenzverfahren geltende kürzere Kündigungsfrist zum Nachteil des Arbeitnehmers aus. Um diesen Nachteil auszugleichen, kann der Arbeitnehmer gemäß § 113 Abs. 1 Satz 3 InsO Schadensersatz für den Zeitraum ab der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der außerhalb des Insolvenzverfahrens maßgeblichen Kündigungsfrist verlangen. Der Anspruch besteht hier für die 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer in Höhe des Nettogehalts Schadensersat...