Kurzbeschreibung
Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Anfechtung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber gehören neben den Kündigungsschutzklagen zu den Bestandsschutzstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten.
Vorbemerkung
Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber gehören neben den Kündigungsschutzklagen zu den Bestandsschutzstreitigkeiten. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG. Die Geltendmachung von Willensmängeln und Gesetzesverstößen mit der Folge der Nichtigkeit des Vertrages ist jedoch beim Arbeitsvertrag eingeschränkt. So kann die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Irrtums grundsätzlich keine ex-tunc-Wirkung entfalten, wie in § 142 Abs. 1 BGB vorgesehen. Sie kann nur in die Zukunft (ex nunc) wirken. Das Gleiche gilt für die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Arbeitsvertrages.
Die Anfechtung des Vertrages ähnelt hinsichtlich der rechtlichen Folgen der fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber, jedoch bezieht sich die außerordentliche Kündigung auf eine Störung, die die weitere Durchführung des mangelfrei geschlossenen Arbeitsvertrages betrifft, während die Anfechtung auf Störungen bezogen ist, die den Vertragsschluss betreffen.
Beispiele für Anfechtung des Arbeitsvertrags:
- wegen Irrtums in der Person des Vertragspartners: Vertragsschluss mit einem "Fachbetrieb", der nicht in der Handwerksrolle eingetragen ist, wobei es für den Vertragsschluss auf diese Eintragung ankommt; Vorstrafen des Arbeitnehmers, wenn es für die konkrete Tätigkeit in besonderem Maße auf dessen Vertrauenswürdigkeit ankommt;
- wegen arglistiger Täuschung bei Verletzung von Aufklärungspflichten des Arbeitnehmers bei Vertragsschluss: gesundheitliche Beschwerden des Arbeitnehmers gefährden erheblich seine Leistungsfähigkeit; Verbüßung einer rechtskräftig erkannten Strafe des Arbeitnehmers steht bevor; transsexueller Arbeitnehmer bewirbt sich vor der Anerkennung der Geschlechtsumwandlung als Arzthelferin; Arbeitnehmer gibt bei Vertragsschluss an, weder Schwerbehinderter noch in sonstiger Weise körperbehindert zu sein, in Wirklichkeit ist er jedoch ein anerkannter Schwerbehinderter.
Den Arbeitgeber trifft hierbei die Beweislast. Er muss darlegen und beweisen, dass ein Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund besteht.
Das KSchG gilt nicht, mithin auch nicht die dreiwöchige Klagefrist.
Rechtsanwälte haben seit dem 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen An-waltspostfachs zu beachten und die Klage als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des verantwortenden Anwalts einzureichen, §§ 130a ZPO, 46c ArbGG.
Klage wegen Anfechtung des Arbeitsvertrags
An das
Arbeitsgericht ...
...
...
per beA
Klage
des/der Herrn / Frau …
- Kläger/in -
Prozessbevollmächtigte/r: …
gegen
die ..., vertreten durch ...,
- Beklagte/r -
(Prozessbevollmächtigte/r: …)
wegen: Anfechtung des Arbeitsvertrages
vorläufiger Streitwert: ... EUR
Wir bestellen uns zu Prozessbevollmächtigten des Klägers/der Klägerin, in dessen/deren Namen und Auftrag wir um kurzfristige Anberaumung eines Gütetermins bitten. Wir werden beantragen zu erkennen:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers/der Klägerin durch die Anfechtungserklärung des/der Beklagten vom ..., zugegangen am ..., an diesem Tag nicht aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den ... hinaus fortbesteht.
Der/Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Sollte der/die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie den Kläger weiter beschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, stellen wir folgenden weiteren Antrag:
- Der/Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 zu den im Arbeitsvertrag vom ... geregelten Arbeitsbedingungen als ... bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
Begründung:
I.
Der Kläger/Die Klägerin ist am ... geboren, verheiratet und hat ... Kinder.
Der Kläger/Die Klägerin ist seit dem ... bei dem/der Beklagten als ... ununterbrochen beschäftigt. Die durchschnittliche Vergütung des Klägers/der Klägerin beträgt monatlich ... EUR brutto.
Beweis: |
- Arbeitsvertrag vom ... – Anlage K 1
- Gehaltsabrechnung des Klägers vom ...; Anlage K 2
|
Am ... ist das Arbeitsverhältnis von dem/der Beklagten angefochten worden mit der Begründung der arglistigen Täuschung des/der Beklagten durch den Kläger/die Klägerin. Die Anfechtungserklärung ist dem Kläger/der Klägerin am ... zugegangen.
Beweis: |
Schreiben der Beklagten vom ...; Anlage K 3 |
Zu Inhalt und Verlauf des bisher bestehenden Arbeitsverhältnisses ist weiterhin Folgendes anzumerken: ... .
II.
Die Anfechtung ist rechtsunwirksam. Die Beklagte ist zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu verurteilen.
Nach der Rechtsprechung steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung z...