Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.11.1998; Aktenzeichen 5 AZR 416/98)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Streitwert: 104,70 DM.

4. Die Berufung wird gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 2 b ArbGG zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs des Klägers im Krankheitsfall.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 20.3.1979 als Berufskraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Sand-, Kies-, Mörtel- und Transportbetonindustrie Nordwestdeutschland in der Fassung vom 9.12.1986 Anwendung. § 8 des Rahmentarifvertrages (RTV) befaßt sich mit Regelungen zum „Ausfall des Arbeitnehmers infolge Krankheit oder Arbeitsunfalles”. § 8 Ziff. 1 RTV enthält folgende Regelung: ”Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfälle. Abweichende Berechnungsmethoden können durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden.” Auf den vollständigen Wortlaut der Norm wird Bezug genommen.

Im Januar 1997 war der Kläger 2 Arbeitstage arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte dem Kläger unter Berufung auf § 4 Abs. 1 S. 1 EntgeltfortzahlungsG eine Krankheitsvergütung von 80 % des Durchschnittslohns, mithin 104,70 DM weniger als bei Zahlung von 100 % des Durchschnittslohnes angefallen wären.

Unter Berufung auf die tarifvertragliche Regelung beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 104,70 brutto zuzüglich 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das die von ihr vorgenommene Berechnung der Krankheitsvergütung mit der tariflichen Regelung in Einklang stehe. Die Vorschrift nehme auf die jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen Bezug.

Zum weiteren Sachvortrag der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die Klageschrift und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben in der Sitzung vom 12.5.1997 übereinstimmend eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende gem. § 55 Abs. 3 ArbGG beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Nachzahlung der Klageforderung als restliche Krankheitsvergütung. Die Beklagte hat die Krankheitsvergütung nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 S. 1 EntgeltfortzahlungsG korrekt berechnet und ausgezahlt.

Die in § 8 des Rahmentarifvertrages für die Sand-, Kies-, Mörtel- und Transportbetonindustrie Nordwestdeutschland in der Fassung vom 9.12.1986 vorgesehene Formulierung steht der Anwendung von § 4 Abs. 1 S. 1 EntgeltfortzahlungsG nicht entgegen. Die vorstehende Tarifvertragsnorm ist unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. § 8 Ziff. 1 RTV bestimmt jedoch, daß für die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall die Bestimmungen des Gesetzes maßgeblich sind. Zwar war im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Rahmentarifvertrages noch das frühere Entgeltfortzahlungsgesetz inkraft, welches dem Arbeitnehmer während der ersten 6 Wochen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit einen Lohnfortzahlungsanspruch von 100 % zusprach. Aus dem Wortlaut von § 8 Ziff. 1 RTV oder aus den übrigen Bestimmungen des RTV lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien in § 8 Ziff. 1 gerade nur speziell die gesetzlichen Regelungen des im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rahmentarifvertrages geltenden Entgeltfortzahlungsgesetzes in Bezug nehmen wollten. Hätten die Tarifvertragsparteien einen ganz bestimmten Inhalt des damals inkraft befindlichen Entgeltfortzahlungsgesetzes tarifvertraglich über die gesetzliche Geltungsdauer hinaus festschreiben wollen, so hätte es nahegelegen, eine entsprechend ausformulierte Regelung in den Tarifvertrag selbst zu übernehmen. Nach den für die Auslegung von Tarifverträgen geltenden Auslegungsregeln hätte es jedoch eines unmißverständlichen Hinweises in der Tarifvertragsregelung selbst bedurft, wenn § 8 Ziff. 1 S. 1 RTV den Sinn hätte haben sollen, gerade nur die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages geltenden gesetzlichen Bestimmungen unabhängig von der Geltungsdauer des Gesetzes und etwaigen späteren Gesetzesänderungen in Bezug zu nehmen. Dies gilt umso mehr, als es nach der allgemeinen Lebenserfahrung nichts Ungewöhnliches ist, daß Gesetze einer ständigen sporadischen Überarbeitung, Änderung und Neufassung unterliegen. § 8 Ziff. 1 S. 1 RTV kann daher nur die Bedeutung beigemessen werden, daß sich die Tarifvertragsparteien insoweit einer eigenständigen tarifvertraglichen Regelung enthalten wollten, als sie nicht in den übrigen Bestimmungen des § 8 RTV solche Regeln eigens aufgenommen haben. § 8 Ziff. 1 S. 1 RTV bezieht sich somit nicht auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages geltenden gesetzlichen Entgeltfortzahlungsregelungen, sondern auf die entsprechenden Regelungen des jeweils geltenden einschlägigen Gesetzes. Damit steht die tarifvertragliche Norm der Anwend...

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