Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 268,66 festgesetzt.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Berufung zugelassen.
Tatbestand
Der Arbeitnehmer … ist seit 2.4.1975 als Arbeiter bei der Beklagten, einen Bauunternehmen, beschäftigt. Er war vom 26.6. bis 4.11.1979 an einem chronischen Leiden erkrankt. Wegen der Gefahr einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes unterzieht sich der Arbeitnehmer seit Anfang 1980 regelmäßig – etwa 14-tägig – in der Hautklinik der Justus-Liebig-Universität Gießen einer Dauerbehandlung mit Bestrahlungen. Im Jahr 1981 hat er u.a. an folgenden Tagen die Bestrahlungen erhalten:
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24.04.1981 |
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08.05.1981 |
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22.05.1981 |
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08.06.1981 |
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19.06.1981 |
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03.07.1981 |
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17.07.1981 |
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31.07.1981 |
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14.08.1981 |
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28.08.1981 |
An den Behandlungstagen ist der Arbeiter infolge der Entfernung zwischen seiner Wohnung und dem Behandlungsort von morgens 7.00 Uhr bis nachmittags zwischen 14.00 und 15.00 Uhr unterwegs. Die eigentliche Behandlung selbst dauert ca. eine Stunde. Wäre der Arbeitnehmer an diesen Tagen, für die sein Hausarzt ihm jeweils Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat, etwa wegen Verlegung der Termine oder aus anderen Gründen nicht in Gießen gewesen, hätte er seinen Arbeitspflichten ohne weiteres nachgehen können.
Die Klägerin hat für die im einzelnen aufgeführten Behandlungstage dem Arbeitnehmer Krankengeld gewährt und verlangt nunmehr unter Berufung auf § 182 Abs. 10 RVO Erstattung dieser Beträge von der Beklagten.
Hinsichtlich der Rechtsausführungen der Klägerin hierzu wird auf die Klageschrift von 10.9.1981 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 268,66 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Parteien haben übereinstimmend eine Entscheidung durch den Vorsitzenden gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG beantragt.
Die Beklagte beruft sich für ihre Rechtsauffassung auf § 4 Ziff. 3.1 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch kommt nur § 616 Abs. 1 BGB i.V.m. § 182 Abs. 10 RVO in Betracht. Die speziellere Vorschrift des § 1 Lohnfortzahlungsgesetz greift im vorliegenden Fall nicht ein, denn der bei der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmer war an den Tagen, für die die Zahlung der Arbeitsvergütung verlangt wird, nicht arbeitsunfähig.
Daran ändern auch die von dem Hausarzt dem Arbeitnehmer ausgestellten Attests nichts. Zu Recht und für das Gericht überzeugend gehen beide Parteien dieses Rechtsstreits selbst übereinstimmend davon aus, daß der Arbeitnehmer ebenso wie an den Tagen vorher oder nachher auch an den Behandlungstagen seine Arbeitspflichten hätte verrichten können, wenn er die ihm von der Universitätsklinik in Gießen gesetzten Termine zur Bestrahlungsbehandlung hätte verlegen lassen oder die Termine aus einem anderen Grund aufgehoben worden wären.
Die Parteien sind ferner darüber einig – und darauf hat die Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung nochmals besondere hingewiesen –, daß die hier zu entscheidende Frage überhaupt nicht aufgetreten wäre, wenn etwa die Bestrahlungen am Wohnort des Arbeitnehmers oder im Bad Hersfeld außerhalb der Arbeitszeit hätten durchgeführt werden können. Die Entscheidung, ob Arbeitsunfähigkeit zu bejahen ist oder nicht, kann aber nicht von solchen rein zufälligen, mit dem Gesundheitszustand nicht unmittelbar zusammenhängenden Gegebenheiten abhängen.
In einem solchen Fall vermag das Gericht auch nicht etwa das Vorliegen der Voraussetzungen einer Arbeitsunfähigkeit anzunehmen, wie sie in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 14.1.1972 (Betriebs-Berater 1972 S. 921) dargelegt sind. Danach ist der Tatbestand der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer ohne die zur Beseitigung des Krankheitsgeschehens notwendige Krankenpflege die ihm vertraglich obliegende Arbeit hätte weiter verrichten können und erst durch eine ärztlich als notwendig erachtete Krankenpflege in der Arbeitsleistung verhindert wird. Auch eine Arbeitsunfähigkeit in dieser erweiterten Auslegung des Begriffs kann im vorliegenden Fall nicht bejaht werden, denn der Arbeitnehmer wird hier nichts durch, d.h. infolge der Krankenpflege an seiner Arbeitsleistung verhindert. In diesem Punkt bestehen entscheidende Unterschiede zwischen einer zur Wiederherstellung der Gesundung erforderlichen Operation und anschließender stationärer Krankenhausbehandlung, wie sie dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall zugrundelegen, und dem hier gegebenen Sachverhalt.
Eine ca. einstündige ambulante Behandlung mit Bestrahlungen ist vielmehr ebenso einzuordnen, wie die ambulante Behandlung anderer Arbeitnehmer während der Arbeitszeit, die den Arzt aufsuchen wegen akuter Beschwerden, um den Eintritt einer ...