Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.09.2004; Aktenzeichen 5 AZR 99/04)

 

Tenor

  • Die Klage wird abgewiesen.
  • Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  • Der Streitwert wird auf 6.667,83 EUR festgesetzt.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung.

Die 38 Jahre alte Klägerin war bei der Beklagten als Lagerarbeiterin/Staplerfahrerin beschäftigt. Der Monatslohn betrug zuletzt 2.222,61 EUR brutto.

Eine Kündigungsschutzklage haben die Parteien mit einem Prozessvergleich am 03.06.2002 beendet. Wegen des vollständigen Wortlautes wird auf die Kopie in Blatt 5 der Akte Bezug genommen.

Der Vergleich vom 03.06.2002 lautet auszugsweise:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 30.09.2002 sein Ende finden wird.

2. Bis dahin wird die Klägerin unter Anrechnung etwaiger Mehrarbeit und Urlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr 2002 unwiderruflich von der Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Vergütung freigestellt.

Mit der am 06.08.2002 erhobenen Klage verlangt die Klägerin Zahlung ihres Gehaltes vom 01.05. bis 31.07.2002.

Die Klägerin unterzog sich vom 30.04. bis 08.08.2002 einer medizinischen Rehabilitation (stationäre Kur) wegen Alkoholismus.

Die Betriebskrankenkasse der Beklagten hat bescheinigt, dass wegen Vorerkrankungszeiten in diesem Zeitraum kein erneuter Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgeltes besteht (Kopie der Bescheinigung in Blatt 13 der Akte). Im Zeitraum 30.04. bis 08.08.2002 hat die Klägerin 3.705,57 EUR Übergangsgeld von ihrem Rentenversicherungsträger erhalten.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass aufgrund der unwiderruflichen Freistellung sie einen Anspruch auf die monatliche Vergütung habe, egal, ob sie arbeitsfähig sei oder nicht. Die Klägerin könne mit ihrer so gewonnenen Freizeit machen, was sie möchte. Das folge auch aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.03.2002 – 9 AZR 16/01. Es komme höchstens in Betracht, dass das Übergangsgeld anzurechnen sei.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.667,83 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus

– 2.222,61 EUR brutto seit 01.06.2002,

– 2.222,61 EUR brutto seit 01.07.2002,

– 2.222,61 EUR brutto seit 01.08.2002

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bringt vor:

Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung sei nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgeltfortzahlungsG ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund derselben Erkrankung mehrfach arbeitsunfähig werde. Dies gelte auch bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen infolge derselben Krankheit. Nach Beendigung der Entziehungskur ab dem 09.08.2002 habe die Beklagte der Klägerin das Gehalt unstreitig wieder gezahlt.

Wegen des Vorbringens der Parteien in weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und eingereichten Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Berichtigt gem. Beschluss vom 24.01.2003 (Bl. 70-71 d.A.)

Nagel

Direktor des Arbeitsgerichtes

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

Ein Anspruch auf Zahlung der Vergütung vom 01.05. bis 31.07.2002 kraft Gesetzes besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 EntgeltfortzahlungsG liegen nicht vor. Von der Richtigkeit der Bescheinigung der Betriebskrankenkasse gehen die Parteien aus. Danach liegen innerhalb des in der angeführten Vorschrift enthaltenen 6-Monatszeitraums Vorerkrankungen, die einen erneuten Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für 6 Wochen ausschließen. Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation stehen nach § 9 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gleich.

2.

Es wird gesehen, dass die Klägerin einen gesetzlichen Fortzahlungsanspruch gar nicht geltend machen will. Ihr steht jedoch auch kein vertraglicher Anspruch aufgrund des Prozessvergleiches vom 03.06.2002 zu.

Der Kern des Rechtsstreits besteht in der Auslegung von Ziffer 2 dieses Prozessvergleiches. Die Klägerin verkürzt die darin enthaltenen Regelungen auf einen Anspruch auf “Fortzahlung der Vergütung”. Dies ist jedoch so nicht geregelt. Vielmehr wird die Klägerin in Ziffer 2 dieses Vergleiches “von der Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Vergütung freigestellt”.

Diese Regelung in Form einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers von der Arbeitsverpflichtung mit Zustimmung des Arbeitnehmers ist im Streitfall wirkungslos. Die Klägerin übersieht, dass diese Regelung am 03.06.2002 vereinbart worden ist. Die Klägerin war jedoch seit dem 30.04.2002 und zwar bis zum 08.08.2002 in einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme stationär auf Kur. Sie war im Rechtssinne in dieser Zeit nicht arbeitsfähig. Damit war eine Freistellung von der Arbeit subjektiv nicht möglich. Eine Freistellung setzt eine objektive und subjektive Möglichkeit der Arbeitsleistung voraus. Ist diese objektiv oder subjektiv nicht möglich, so handelt es sich um eine rechtlich wirkungslose und unverbindliche Erklärung.

Die Kammer hält das von der Klägerin angezogene Urteil (BAG in NZA 2002, 1055...

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