Entscheidungsstichwort (Thema)
MAE-Kraft. Einstellung. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einstellung einer sog. MAE-Kraft „1-Euro-Job”) ist zustimmungspflichtig gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG, jedenfalls dann, wenn dem „Arbeitgeber” zumindest eine abstrakte Auswahlmöglichkeit oder ein Ablehnungrecht eingeräumt ist.
2. Im Rahmen seiner Mitbestimmung kann der Betriebsrat seinen Widerspruch auch auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG stützen, etwa, wenn die Beschäftigung der MAE-Kraft gegen § 16 Abs. 3 SGB II verstößt, weil sie dessen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 4; SGB II § 16 Abs. 3
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zur Einstellung einer sog. MAE-Kraft zusteht, hilfsweise um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der MAE-Kraft J.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH Einrichtungen zur Betreuung von behinderten Menschen hauptsächlich in Wohnstätten und -Gemeinschaften und übernimmt Familien entlastende Dienste. Der Beteiligte zu 2 ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin beschäftigt im Rahmen von § 16 Abs. 3 SGB II erwerbsfähige Hilfsbedürftige in Arbeitsangelegenheiten bei einer zusätzlichen Entschädigung von 1,50 EUR (sog. 1-Euro-Jobs, MAE-Kräfte).
Die Firma P. PersonalBeratung T. in L. wurde von der Agentur für Arbeit mit der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung beauftragt und vermittelt an die Arbeitgeberin erwerbsfähige Hilfebedürftige gem. § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Dazu schlossen die Arbeitgeberin und die genannte Personalberatung betreffend Herrn J. eine vertragliche Regelung unter dem 18.05.2006 ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung (Bl. 73 d.A.) Bezug genommen.
Herr J. soll in der Zeit vom 01.06.2006 bis zum 14.03.2007 bei der Arbeitgeberin als erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger in M. beschäftigt werden. Die Arbeitgeberin betreibt in M. zwei Ferienhäuser „H” und „S”). Gruppen der von der Arbeitgeberin betreuten behinderten Menschen können in diesen Ferienhäusern Freizeit verbringen. Auch behinderte Menschen anderer Einrichtungen nutzen die Ferienhäuser der Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin beantragte mit Schreiben vom 31.05.2006 (Ablichtung Bl. 27 d.A.) bei dem Betriebsrat vorsorglich entsprechend § 99 BetrVG die Zustimmung zur Einstellung des Herrn J. als „MAE” mit der Tätigkeit „Pflege der Innen- und Außeneinrichtungen zusätzlich”. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schriftstück verwiesen. Gleichzeitig teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass sie an ihrer Rechtauffassung festhalte und davon ausgehe, dass der Einsatz von MAE nicht beteiligungspflichtig nach dem BetrVG sei. Sie stellte Herrn J. am 01.06.2006 ein.
Der Betriebsrat widersprach der Einstellung von Herrn J. mit Antwortschreiben vom 07.06.2006 (Ablichtung Bl. 28/29 d.A.) und gab unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 u. 3 BetrVG an, dass gegen die Voraussetzungen des § 16 SGB II verstoßen werde, da die Arbeitsgelegenheit für diesen nicht zusätzlich sei und nicht im öffentlichen Interesse liege. Außerdem bestehe die Besorgnis, dass durch die Schaffung einer zeitlich begrenzten Arbeitsgelegenheit sich für die übrigen Beschäftigten des FED Nachteile ergeben könnten. Ein Nachteil sei auch in der Leistungsverdichtung der übrigen Kolleginnen und Kollegen zu sehen, die entstehe, wenn der Arbeitseinsatz der 1-Euro-Kraft koordiniert werden müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schriftstück Bezug genommen.
Das Schreiben ging bei der Arbeitgeberin am 07.06.2006 ein.
Mit einem per Telefax am 15.06.2006 und im Original am 16.06.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begehrt die Arbeitgeberin Feststellung, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht bestehe und hilfsweise die Zustimmung des Betriebsrates zu ersetzen.
Die Arbeitgeberin trägt im Wesentlichen vor: Der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG für die Einstellung des Herrn J. und im Übrigen generell nicht bei der Beschäftigung von erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen i.S.v. § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Diese Arbeiten begründeten keine Arbeitsverhältnisse i.S.d. Arbeitsrechts. Die erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen seien keine Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG. Die hierfür notwendige Eingliederung erfolge ebenfalls nicht, so dass auch eine Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG nicht vorliege. Insbesondere bestehe bei der Auswahl der Hilfsbedürftigen ein Entscheidungsspielraum der Arbeitgeberin nicht, unabhängig davon, ob die Heranziehung zur Beschäftigung durch Verwaltungsakt erfolge oder ob vom Sozialleistungsträger bzw. seinem Beauftragten zur Durchführung der Beschäftigung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit den Hilfsbedürftigen abgeschlossen werde. Die Auswahl und Zuweisung von Herrn J. sei durch die Personalagentur P. T. vor...