Tenor

Der Aussetzungsantrag der Beklagten hinsichtlich der Klageerweiterung des Klägers vom 03.02.2005 (zuletzt in der Fassung vom 15.02.2005) wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über Annahmeverzugslohnansprüche des Klägers vor und nach dem Kündigungstermin einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Gegen diese Kündigung hat der Kläger, Betriebsratsmitglied der Beklagten, in einem anderen Verfahren Kündigungsschutzklage erhoben. Die Verfahren wurden nicht miteinander verbunden. Sie wurden beide am 23.02.2005 vor der Kammer verhandelt. Die Beklagte hat beantragt, das Verfahren hinsichtlich der Annahmerzugslohnansprüche für die Zeit nach dem Kündigungstermin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits auszusetzen. Über den Teilaussetzungsantrag hat das Gericht erst nach Antragsstellung in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer entschieden.

 

Entscheidungsgründe

II. Der Antrag auf teilweise Aussetzung des Verfahrens ist zurückzuweisen.

Der Aussetzungsantrag ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

II. 1 Der Aussetzungsantrag ist nach § 46 II ArbGG i.V.m. § 148 ZPO statthaft.

§ 148 ZPO ist anwendbar. Ein „anderer anhängiger Rechtsstreit” kann auch dann vorliegen, wenn ein vorgreiflicher Rechtsstreit bei demselben Spruchkörper eines Gerichts anhängig ist (vorausgesetzt in BAG [12.06.1986] – 2 AZR 426/85 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 17 ≪zu B III 2≫; LAG Hessen [13.08.1999] – 5 Ta 512/99 – LAGE ZPO § 148 Nr. 36 (a.A. „formelle Betrachtungsweise”); Gift/Baur, Urteilsverfahren [1993], E Rn. 682; a.A. LAG Sachsen-Anhalt [22.09.1995] – 2 Ta 140/95 – LAGE § 148 ZPO Nr. 29; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl. [2005], § 148 Rn. 6; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. [2005], § 148 Rn. 10).

Der Wortlaut des § 148 ZPO unfasst auch die bei demselben Spruchkörper eines Gerichts anhängigen Rechtsstreite.

Eine teleologische Einschränkung des § 148 ZPO erscheint nicht geboten. Der Normzweck des § 148 ZPO ist umstritten (Schultes, Anm. LAG Berlin, LAGE ZPO § 148 Nr. 28). § 148 ZPO will eine doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Prozessen verhindern (LAG Berlin [02.12.1993] – 9 Ta 24/93 – LAGE ZPO § 148 Nr. 28; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. [2005], § 148 Rn. 3; Schultes, Anm. LAG Berlin, LAGE ZPO § 148 Nr. 28). Mit der Aussetzung werden die Ergebnisse des einen Prozesses für ein anderes Verfahren verwertbar gemacht (Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. [2005], § 148 Rn. 3). § 148 ZPO dient auch der Prozesswirtschaftlichkeit (LAG Berlin [02.12.1993] – 9 Ta 24/93 – LAGE ZPO § 148 Nr. 28; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. [2005], § 148 Rn. 3; Münchener Kommentar ZPO/Peters, 2. Aufl. [2000], § 148 Rn. 1). Darüber hinaus dient § 148 ZPO auch dazu, dass nicht in derselben Frage von verschiedenen Gerichten einander widersprechende Entscheidungen getroffen werden (Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. [2005], § 148 Rn. 3; Münchener Kommentar ZPO/Peters, 2. Aufl. [2000], § 148 Rn. 1).

Bei einer Entscheidung desselben Spruchkörpers ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit nur eingeschränkt, nicht aufgehoben. Der entscheidende Spruchkörper hat auch die Konsequenzen für die möglichen folgenden Instanzen einzubeziehen. Der geringe Mehraufwand für den entscheidenden Spruchkörper schließt nicht einen überflüssigen Mehraufwand für die Rechtsmittelinstanzen aus. Auch für den Spruchkörper selbst ist ein Mehraufwand nicht ausgeschlossen. Eine innerprozessuale Bindungswirkung gemäß § 318 ZPO besteht nur in ein und demselben Verfahren, selbst wenn zwei Verfahren bei demselben Spruchkörper anhängig sind (Schultes, Anm. LAG Berlin, LAGE ZPO § 148 Nr. 28 m.w.N.). Sind die getrennten Verfahren nicht, wie hier, in demselben Termin zur mündlichen Verhandlung entscheidungsreif, besteht die Notwendigkeit, im abhängigen Verfahren die vorgreifliche Frage erneut zu prüfen. Im nächsten Kammertermin besteht auf Grund des rotierenden Einsatzes des ehrenamtlichen Richter in aller Regel eine andere Besetzung des Spruchkörpers. Es besteht daher auch schon beim gleichen Spruchkörper und erst recht in der Rechtsmittelinstanz die Möglichkeit und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen.

II. 2 Ein Antrag auf Aussetzung kann sich auch auf den Teil eines teilbaren Streitgegenstandes beziehen (vgl. Ziemann, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht [2004], ArbGG § 55 Rn. 16 m.w.N.).

II. 3 Über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens haben nach Antragstellung alle drei Richter der Kammer als gesetzliche Richter zu entscheiden. § 55 I Nr. 8 ArbGG steht dem nicht entgegen.

Ob im Fall einer Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer der Vorsitzende allein oder die gesamte Kammer für die Entscheidung über einen Aussetzungsantrag zuständig ist, ist umstritten.

II. 3.1 Die Frage ist nicht unerheblich. Sie betrifft die Bestimmung des gesetzlichen Richters i.S.d. Art. 101 I 2 GG (Berscheid, in: Schwab/Weth, ArbGG [2004], § 55 Rn. 9; Ziemann, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht [2004], ArbGG § 55 Rn. 1...

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