Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden nach § 55 Abs. 1 ArbGG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Alleinentscheidungsbefugnis des § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG ist zwingend. Selbst dann, wenn die Entscheidung auf eine Kammerverhandlung ergeht, haben die ehrenamtlichen Richter keine Mitentscheidungsbefugnis, sondern es verbleibt bei der von § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG nach seinem eindeutigen Wortlaut vorgeschriebenen Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden.
2. Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden ist jedoch nicht, dass alleine deswegen der Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben wäre und der Rechtsstreit diesbezüglich an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen wäre. Dem steht der Beschleunigungsgrundsatz entgegen.
3. Eine Aussetzung der Leistungsklage auf Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzuges nach gewonnener Kündigungsschutzklage ist in der Regel mit dem arbeitsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht zu vereinbaren so auch LAG Hessen, Beschl. v. 03.07.2002, 12 Ta 213/02, BB 2002, S. 2075). Für eine ermessensfehlerfreie Aussetzungsentscheidung müssen hier besondere das schutzwerte Interesse des Arbeitnehmers an einer vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegende Gründe des Einzelfalls vorliegen.
Normenkette
ArbGG § 55 Abs. 1 Nr. 8
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 10.11.2005; Aktenzeichen 15 Ca 199/05) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 25.11.2005 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg – Kammern Offenburg – vom 10.11.2005, Az. 15 Ca 199/05, aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Der Kläger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 25.11.2005 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 10.11.2005, das vorliegende Verfahren bis zur Rechtskraft eines Kündigungsschutzverfahrens zwischen den Parteien auszusetzen.
In dem vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von der Beklagten als seiner Arbeitgeberin die Zahlung einer Tantieme in Höhe von Euro 125.780,00, ferner die Erteilung einer Auskunft über das Unternehmensergebnis 2004 zur Berechnung einer weiteren Tantieme sowie Zahlung dieser weiteren Tantieme.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 22.12.1994. Hierin ist unter „§ 2 Bezüge” unter Ziff. 2 eine erfolgsabhängige Tantieme geregelt. Dort heißt es unter anderem:
„Scheidet Herr R. während eines Kalenderjahres aus, wird die Tantieme zeitanteilig berechnet.”
Die vertraglichen Tantieme-Regelungen des Arbeitsvertrages sind, soweit ersichtlich, durch eine Regelung zur Berechnung der Tantieme 2004 des Vertriebsleiters Süden der W. (Anlage B4, Aktenseite 97) ergänzt bzw. geändert worden. Diese wiederum werden durch ein Schreiben der Beklagten vom 12.04.2004 näher erläutert. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Schreiben Bezug genommen.
Das Arbeitsverhältnis wurde von der Beklagten ordentlich mit Schreiben vom 16.07.2004 zum 31.10.2004 gekündigt. Der Kläger wurde ab dem 14.07.2004 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge unter der Verrechnung mit seinen Urlaubsansprüchen freigestellt. Zwischen den Parteien ist aber unstreitig, dass der Kläger einen der Höhe nach streitigen anteiligen Tantiemeanspruch hat.
§ 10 Nr. 3 des Arbeitsvertrages sieht vor, dass im Falle einer Kündigung die Beklagte berechtigt ist, den Kläger unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von seiner Tätigkeit freizustellen. Diese Kündigung hat der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage, die beim Arbeitsgericht Freiburg – Kammern Offenburg – unter dem Az.: 15 Ca 138/04 geführt wurde, angegriffen. Die Klage war vor dem Landesarbeitsgericht (Az.: 11 Sa 7/05) erfolgreich; das Gericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Die Revision wurde vom Landesarbeitsgericht zugelassen und von der Beklagten eingelegt (Az. beim BAG: 2 AZR 569/05).
Im Anschluss an den Kammertermin vom 10.11.2005 hat das Arbeitsgericht durch Beschluss der Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter nach entsprechendem Hinweis des Gerichts den vorliegenden Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinsichtlich der ordentlichen Kündigung 15 Ca 138/04 ausgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Frage, wie hoch der Tantiemenanspruch des Klägers für das Jahr 2004 sei zum Teil von dem Bestehen eines anderen Rechtsverhältnisses abhängt. Maßgeblich sei, ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits zum 31.10.2004 geendet habe oder für das ganze Jahr 2004 bestanden habe. Dies sei Gegenstand des Rechtsstreits 15 Ca 138/04.
Dieser Beschluss wurde dem Klägervertreter am 17.11.2005 zugestellt. Er hat hiergegen mit Schriftsatz vom 24.11.2005 am 25.11.2005 sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 07.12.2005 ents...