Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendungsbereich des sog. „TV Meistbegünstigung”

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der zwischen dem KAV und den Gewerkschaften ver.di sowie d. T. geschlossene TV Meistbegünstigung vom 13.9.2005 ist nach den Regeln eines Vorvertrages zu behandeln.

2. Es bestehen Zweifel, ob dieser Tarifvertrag mit Blick auf die Rechtsfolge seines § 1 hinreichend bestimmt ist (im Anschluss an BAG vom 5.7.2006 – 4 AZR 381/05 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG),

3. Es ist ein Kennzeichen eines Tarifvertrages, dass er einen Kompromiss enthält. Ein Tarifvertrag, für den das nicht zutrifft, ist nur schwer vorstellbar. Die Wertung, ein Tarifvertrag habe ausnahmsweise keinen Kompromisscharakter, setzt daher die Feststellung besonderer Umstände voraus, aus denen dies folgt (BAG vom 3.5.2006 – 4 AZR 795/05 – NZA 2006,

4. Bei verfassungskonformer Auslegung des TV-Meistbegünstigung bleibt ein Anwendungsbereich für dieses Tarifwerk. Verbleibt bei verfassungskonformer Auslegung

5. Es kann nicht festgestellt werden, dass sowohl die Gewerkschaften als auch die TdL kollusiv zum Nachteil des KAV zusammengewirkt hätten, um den Eintritt der genannten Rechtsfolge zu verhindern. Dies ist schon deshalb zu verneinen, weil die Motive der Gewerkschaften sowie der Länder bei der Gestaltung der Arbeitszeitregelungen völlig verschieden waren und sind.

6. Es konnte im Streitfall dahinstehen, ob die begehrte rückwirkende Inkraftsetzung der mit den Haupt- und den Hilfsanträgen begehrten Änderungstarifverträge rechtlich möglich ist.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 1 ff

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einem Tarifabschluss zur Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit für die bei den Mitgliedern der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmern zuzustimmen.

Die Parteien sind tariffähige Organisationen auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite. Die Klägerin ist der tarifpolitische und arbeitsrechtliche Dachverband der kommunalen Verwaltungen und Betriebe in Deutschland. Sie vertritt kommunale Arbeitgeber mit nach ihren Angaben ca. zwei Millionen Beschäftigten. Mitglieder der Klägerin sind die in den einzelnen Bundesländern bestehenden kommunalen Arbeitgeberverbände (KAV) als Mitgliedsverbände.

Die Parteien vereinbarten unter dem Datum des 13.9.2005 den Tarifvertrag über die Vereinbarung einer Meistbegünstigungsklausel (TV-Meistbegünstigung). Ebenfalls unter dem 13.9.2005 schloss die Klägerin den TV-Meistbegünstigung mit identischem Wortlaut auch mit der Gewerkschaft ver.di (im Folgenden: Beklagte des Parallelverfahrens, zusammen: „Die Gewerkschaften”). Der TV-Meistbegünstigung hat folgenden Wortlaut:

„§ 1 Meistbegünstigungsklausel

Sofern die vertragsschließende Gewerkschaft ver.di für ein oder mehrere Bundesländer einen Tarifvertrag abschließt, der von den Regelungen des TVöD oder der ihn ergänzenden Tarifverträge in den Bereichen Arbeitszeit und Sonderzahlung (Zuwendung, Urlaubsgeld u.ä.) abweichende Inhalte hat oder beim Entgelt (insbesondere Einmalzahlung, Übergangskosten) für die Arbeitgeber günstigere Regelungen enthält, vereinbaren die Tarifvertragsparteien ohne weitere Verhandlungen folgendes:

  • Die rechtsverbindliche Unterschrift der Gewerkschaft ver.di unter den ausgehandelten Tarifvertrag gilt zugleich als unwiderrufliches Angebot an den Bund und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände, die Regelungen des Tarifvertrags insgesamt oder in ihren einzelnen Bestandteilen in den TVöD oder ihn ergänzende Tarifverträge (ersetzend oder ergänzend) zu übernehmen. 3Ver.di verpflichtet sich, den Tarifvertrag unverzüglich dem Bund und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände zur Kenntnis zu geben.
  • Der Bund und die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände können jeder für sich binnen einer Frist von vier Wochen nach Kenntnisnahme des entsprechenden Tarifvertrags das Angebot schriftlich annehmen.

§ 2 In-Kraft-Treten und Kündigung

(1) Dieser Tarifvertrag tritt am 9. Februar 2005 in Kraft.

(2) Dieser Tarifvertrag kann erstmalig zum 31. Dezember 2007 gekündigt werden. Eine spätere Kündigung ist mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende zulässig. Eine Nachwirkung wird ausgeschlossen.”

§ 6 Abs. 1 TVöD hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

㤠6

Regelmäßige Arbeitszeit

(1) 1Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

  1. die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,
  2. die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA im Tarifgebiet West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich; im Tarifgebiet West können sich die Tarifvertragsparteien auf landesbezirklicher Ebene darauf einigen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden zu verlängern.

2 (…)”

§ 39 TVöD hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

㤠39

In-Kraft-Treten, Laufzeit

(…)

(3) ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge