Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Verdachtskündigung
Leitsatz (amtlich)
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen.
Auch der dringende Verdacht einer Straftat bezogen auf geringwertige Vermögensnachteile zu Lasten des Arbeitgebers stellt nach ständiger Rechtsprechung des BAG an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar (Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB).
Normenkette
BGB § 626
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.852,92 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung seitens der Beklagten. Die am … 1958 geborene Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 25. April 1977 zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.713,23 EUR als Verkäuferin mit Kassiertätigkeit beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. In dem Beschäftigungsbetrieb der Klägerin in Berlin ist ein Betriebsrat errichtet.
In der Beschäftigungsfiliale der Klägerin bestand die Arbeitsanweisung, dass sofern Mitarbeiter Leergut von zu Hause mitbringen, um dieses in der Filiale einzulösen, die Mitarbeiter das Leergut beim Betreten der Filiale dem Filialverantwortlichen vorzeigen und nach Erhalt des Pfandbons diesen abzeichnen lassen müssen. Auf diese Weise lassen sich nicht entsprechend abgezeichnete Leergutbons als Kundenbons identifizieren. Am 22. Januar 2008 war die Klägerin als Verkäuferin mit Kassiertätigkeit in der Zeit von 7.30 bis 14.30 Uhr tätig. Um 14.45 Uhr ließ sie an der Kasse einer Kollegin – der Zeugin K. – einen Personaleinkauf abkassieren. Im Rahmen des Personaleinkaufs wurden von der Klägerin Leergutbons vorgelegt, die von der Zeugin im Kassensystem registriert wurden und damit den Wert des Personaleinkaufs entsprechend minderten. Das E-Journal über sämtliche an der Kasse der Zeugin K. am 22. Januar 2008 eingelösten Leergutbons wies um 14:45:48 Uhr zwei eingereichte Leergutbons auf, die einen Wert von 48 Cent und einen Wert von 82 Cent hatten. Weitere Leergutbons mit diesen Beträgen wurden nach dem E-Journal am 22. Januar 2008 an der Kasse der Zeugin K. nicht eingelöst. Hinsichtlich der Einzelheiten des E-Journals wird auf Bl. 105 d. A. verwiesen. Hinsichtlich sämtlicher an dem Tag an der Kasse der Zeugin eingelösten Leergutbons wird auf die Aufstellung Bl. 195 d. A. verwiesen. Die am 22. Januar 2008 an der Kasse der Zeugin K. eingereichten Leergutbons wurden von der Beklagten im Original zur Akte gereicht. Hinsichtlich der Originale sämtlicher an dem Tag an der Kasse der Zeugin eingelösten Leergutbons – mit Ausnahme der nach Behauptung der Beklagten von der Klägerin eingelösten Leergutbons – wird auf Bl. 214 d. A. verwiesen. Hinsichtlich der Leergutbons, die nach Behauptung der Beklagten von der Klägerin am 22. Januar 2008 eingelöst worden sind, wird auf Bl. 215 d. A. verwiesen. Die von der Beklagten im Original eingereichten Leergutbons (Bl. 215 d. A.) tragen beide das Datum vom 12. Januar 2008. Der eine Bon weist einen Betrag von 0,82 EUR und eine Ausstellungszeit von 09:21 Uhr aus. Der andere Bon weist einen Betrag von 0,48 EUR und eine Ausstellungszeit von 10:06 Uhr aus. Am 12. Januar 2008 um 10:06 war die Klägerin selbst an der Kasse tätig und konnte deswegen kein Leergut abgeben.
Die Beklagte schöpfte den Verdacht, dass es sich bei den eingelösten Leergutbons um von Kunden am 12. Januar 2008 verlorene Leergutbons handelte, die seitens der Beklagten aufbewahrt wurden. Der Verdacht gründete sich auf folgende von der Klägerin bestrittene und damit zwischen den Parteien streitigen Vorgänge: Am 12. Januar 2008 wurden nach Darstellung der Beklagten an der Kasse des Backstops zwei Leergutbons aufgefunden worden, die von Kunden verloren waren. Beider Bons waren nicht als Mitarbeiterbons gekennzeichnet, einer der Bons habe auf 0,48 EUR gelautet. Beide vom 12. Januar 2008 datierenden Leergutbons seien der Klägerin seitens des Filialleiters am 12. Januar 2008 mit der Maßgabe übergeben worden, zunächst abzuwarten, ob sich ein Kunden meldet, dem die Bons gehören. Beide Leergutbons seien sodann auf die Ablage des Kassenbüros gelegt worden. Die beiden von der Klägerin am 22. Januar 2008 eingereichten Leergutbons wiesen beide das Datum vom 12. Januar 2008 und einen Wert von 0,48 EUR sowie von 0,82 EUR auf. Bei einer Überprüfung, ob die fraglichen von den Kunden verlorenen Bons noch vorhanden waren, sei festgestellt worden, dass die entsprechenden Leergutbons nicht mehr im Kassenbüro lagen.
Über diesen Sachverhalt wurde zuerst die zuständige Distriktmanagerin informiert, ...