Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Kündigung. Verdachtskündigung
Leitsatz (amtlich)
Ein positiver Drogenschnelltest auf Kokain bei einem Busfahrer begründet den schwerwiegenden Verdacht des Fahrens im öffentlichen Straßenverkehr unter Einfluss von Betäubungsmitteln und damit des Fahrens in einem Zustand der Fahrdienstuntauglichkeit. Der begründete Verdacht berechtigt aufgrund der Schwere der arbeitsvertraglichen Verfehlung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung.
Normenkette
BGB § 626
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 7.260,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie um einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Der Kläger ist seit 16.01.2006 bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug 2.200,00 EUR brutto.
Mit Schreiben vom 21.08.2012, dem Kläger am 22.08.2012 zugegangen, kündigt die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.10.2012 (Bl. 5 d. A.).
Das Kündigungsschutzgesetz findet unstreitig Anwendung.
Mit Schriftsatz vom 03.09.2012, eingegangen beim Arbeitsgericht Berlin am 06.09.2012, wendet sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war am 15.08.2012 auf der Linie X … (Endhaltestelle L.) eingesetzt. Um 17.20 Uhr meldete sich ein weiblicher Fahrgast telefonisch bei der Polizei. Den Fahrgästen gaben an, der Kläger habe zwischen Rathaus Steglitz und der Malteserstraße zwei Lichtzeichenanlagen bei Rot überfahren, einen Radfahrer in Marienfelde, Malteserstraße/Paul-Schneider-Straße von der Straße in nötigender Art und Weise bedrängt und er habe Fahrgäste, die ihn auf seinen Fahrstil ansprachen, beschimpft. Die Polizei hat um 17.30 Uhr die Leitstelle der BVG informiert. Diese hat den Kläger per Funk aufgefordert an der Haltestelle Kaiser-Wilhelm-Straße Ecke Paul-Schneider-Straße anzuhalten. An der Haltestelle wartete bereits die Polizei, die seitens der Leitstelle zur Haltestelle beordert worden war. Beim Kläger wurde durch die Polizei zuerst ein Atemalkoholtest durchgeführt. Dieser war negativ. Ein danach durchgeführter Drogenschnelltest (Urintest) zeigte den Konsum von Kokain an. Der Führerschein des Klägers wurde beschlagnahmt. Weiterhin wurde er zur Abnahme einer Blutprobe zur Polizeidirektion 4 gebracht. Das Ergebnis der Blutuntersuchung ist nicht bekannt. Das strafrechtliche Verfahren ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden (Bl. 44 d. A.).
Zu dem Vorfall fand ein Personalgespräch am 16.08.2012 um 10.00 Uhr statt. Teilgenommen haben Herr R. und Herr L. aus der Personalabteilung sowie der Kläger. Im Personalgespräch hat der Kläger den Konsum von Kokain am vergangenen Sonntag mit Freunden eingeräumt. Er räumte weiterhin einen früheren Drogenkonsum ein, der aber Jahre zurückläge. Den ihm angebotenen Aufhebungsvertrag unterzeichnete der Kläger nicht.
Mit Schreiben vom 20.08.2012 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung an (Anlage B 2, Bl. 19 ff. d. A.). Die Anhörung ist dem Betriebsratsvorsitzenden am 20.08.2012 übergeben worden (Bl. 21 d. A.). Der Betriebsrat hat sich unter Verzicht auf die Ausschöpfung der Anhörungsfrist, bestätigt durch Unterschrift mit Datum vom 21.08.2012, nicht zur beabsichtigten Kündigung geäußert (Bl. 49 d. A.).
Der Kläger bestreitet die sein Fahrverhalten am 15.08.2012 betreffenden Vorwürfe. Insbesondere bestreitet er, dass er zwei rote Ampeln überfahren, einen Radfahrer genötigt und Fahrgäste beschimpft habe. Die Stimmung sei an diesem Tag im Bus gereizt gewesen, da die Klimaanlage nicht funktioniert habe. Schließlich bestreitet der Kläger, dass ein Drogenschnelltest den Konsum von Kokain nachweisbar anzeige. Der weitere Drogentest müsse negativ ausgefallen sein, denn das Strafverfahren ist eingestellt worden. Im Personalgespräch am 16.08.2010 habe der Kläger zunächst die Anschuldigungen als unzutreffend bestritten und auch den ihm vorgeworfenen Drogenkonsum. Allerdings habe sich der Kläger zunehmend erheblich unter Druck gesetzt gefühlt und sei übermüdet gewesen. Aufgrund der emutionalen Ausnahmesituation habe er die Vorwürfe bestätigt, obwohl dies nicht den Tatsachen entspreche. Im Hinblick auf das bisher beanstandungsfreie Arbeitsverhältnis hätte die Beklagte hier weitere substantielle Aufklärung im Hinblick auf die Vorwürfe betreiben müssen.
Der Kläger beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.08.2012 beendet worden ist,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf bestimmte Zeit fortbesteht,
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des K...