Leitsatz (amtlich)

1. Ein objektiver Verstoß gegen die Vorschriften des Parteiengesetzes über das Verbot der Annahme von anonymen Spenden sowie der Stückelung von Spenden rechtfertigt die fristlose Kündigung des Hauptgeschäftsführers einer Partei auch dann, wenn dieser auf Veranlassung des Vorsitzenden gehandelt hat, ohne dass es auf die Verwirklichung eines der Straftatbestände ankommt.

2. Der Spendenbegriff des Parteiengesetzes ist weit auszulegen und umfasst in jedem Fall Zuwendungen, die auf einem Parteikonto gutgeschrieben werden, soweit es sich nicht ausnahmsweise um Zuwendungen handelt, die üblicherweise von Parteimitgliedern der Partei außerhalb eines Geschäftsbetriebes zur Verfügung gestellt werden.

3. Die Berufung des Arbeitnehmers auf die fehlende Rechtzeitigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Kenntnis eines Kündigungsberechtigten (hier: der Vorsitzende einer Partei) von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Kündigungsberechtigte den Arbeitnehmer selbst zu dem vertragswidrigen Verhalten zum Nachteil der Partei veranlasst hat.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1-2; PartG § 25

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert beträgt 46.403,00 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger trat zum 15.05.2000 als Hauptgeschäftsführer in die Dienste des Beklagten. Der Beklagte ist der Landesverband Nordrhein-Westfalen der FDP. Der Kläger verdiente zuletzt 7.673,10 EUR monatlich.

§ 23 der Satzung des Beklagten bestimmt:

„Der Landesvorsitzende ist Vorstand im Sinne des § 26 BGB. Er vertritt den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich. […] Im Falle seiner Verhinderung tritt an seine Stelle einer seiner Stellvertreter. Der Fall der Verhinderung braucht nicht nachgewiesen zu werden.”

Der Landesvorsitzende, Herr Jürgen W. Möllemann, ließ in der letzten Phase des Bundestagswahlkampfs 2002 ein Flugblatt erstellen, das an alle Haushalte in Nordrhein-Westfalen per Post verteilt wurde.

Der Kläger führte diesbezüglich verschiedene Gespräche mit Druckereien sowie der Deutschen Post AG als Versandunternehmen. Der Kläger unterzeichnete die Auftragsbestätigung der ausführenden Druckerei, die an „FDP Landesvertretung NRW” adressiert war und als Rechnungsanschrift – auf Bitte des Klägers – die Fa. WebTec nannte. Bei letzterer handelt es sich um eine dem Landesvorsitzenden gehörende Firma. Der Versand des Flugblattes erfolgte auf Veranlassung des Klägers durch die D. aufgrund einer hierzu erforderlichen Rahmenvereinbarung mit dem Beklagten, die im Sommer 2002 abgeschlossen worden war.

Der Kläger erhielt vom Landesvorsitzenden einen Barbetrag in Höhe von 1.000.000,00 EUR zur Finanzierung der Druck- und Versandkosten. Von diesem Betrag teilte der Kläger 90.000,00 EUR in Teilbeträge von 1.000,00 bis 10.000,00 EUR auf und übergab diese ihm vertrauten Personen mit der Bitte, in bar diese Beträge von ihrem Konto auf das Konto des Beklagten einzuzahlen. 50.000,00 EUR zahlte der Kläger ebenfalls in Teilbeträgen von 1.000,00 bis 10.000,00 EUR selbst unter Verwendung von Alias-Namen auf das Konto des Beklagten ein. Hiervon unterrichtete er den Landesvorsitzenden, der mit der Einzahlung des Gesamtbetrages einverstanden war. Weitere 839.000,00 EUR zahlte der Kläger in ähnlichen Teilbeträgen über Verrechnungskonten bei 14 Kreditinstituten unter Verwendung von Alias-Namen auf ein neu eingerichtetes Konto ein, das mit Wahlkampfsonderkonto bezeichnet wurde und über das der Landesvorsitzende allein verfügungsberechtigt war.

Mit Schreiben vom 04.10.2002 erklärte der Landesvorsitzende dem Bevollmächtigten des Bundesschatzmeisters der FDP u. a., die „Einnahmen und Ausgaben auf dem Wahlkampfsonderkonto würden im Finanz- und Rechenschaftsbericht zum 31.12.2002 erfasst”, „alle Spender seien namentlich erfasst”, „alle vereinnahmten Spenden seien zulässig” und „Spenden in einer Größenordnung, die zu einer ad-hoc-Veröffentlichung verpflichten, seien nicht eingegangen”. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 123 f. der Akte Bezug genommen.

Auf Veranlassung des Klägers wurde die Rechnung von der Druckerei auf den Beklagten umgeschrieben.

Der Landesvorsitzende Jürgen W. Möllemann legte am 20.10.2002 sein Amt nieder.

In einer Sitzung des Landesvorstandes erklärte der Kläger auf Frage des Bundesvorsitzenden, er habe mit dem Flugblatt „nichts” zu tun gehabt.

Am 07.11.2002 erhielt der Kläger eine von den stellvertretenden Vorsitzenden Flach und Prof. Dr. Pinkwart in dieser Eigenschaft unterzeichnete Erklärung vom 05.11.2002, mit der unter dem Briefkopf der Genannten, der diese u. a. als stellvertretende Vorsitzende des Beklagten bezeichnete, das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt wurde. Weiter enthielt das Schreiben den Hinweis, dass der Landesvorstand der außerordentlichen Kündigung zugestimmt habe.

Mit Schreiben vom 19.11.2002 ließ der Kläger vorsorglich die Kündigung gem. § 174 BGB zurückweisen.

Mit Schreiben vom 25.11.20...

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