Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin weder durch die außerordentliche noch hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.06.2000, der Klägerin zugegangen am 09.06.2000, aufgelöst worden ist

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragt die Beklagte.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 8.100,– festgesetzt

 

Tatbestand

Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen eine fristlose, vorsorglich fristgerecht zum 15.07.2000 ausgesprochene Kündigung vom 09.06.2000.

Die Klägerin ist seit 07.07.1999 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 07.07.1999, Bl. 4–14 d.A., bei der Beklagten in Frankfurt am Main als Rezeptionistin mit einem monatlichen Bruttogehalt von DM 2.700,– beschäftigt.

Die Beklagte ist eine weltweit agierende … mit über 4500 Mitarbeitern, davon ca. 1400 …, und insgesamt 22 Standorten. Allein in Frankfurt am Main beschäftigt sie ca. 100 Mitarbeiter. Die Beklagte ist von zahlreichen, weltweit tätigen Konzernen wie zum Beispiel … mandatiert. Alle Standorte der Beklagten sind untereinander und die einzelnen Arbeitsplätze miteinander vernetzt. Ein großer Teil des Schriftverkehrs wird in Form von E-Mails abgewickelt.

Bei der Beklagten gibt es die betriebsinterne Anweisung, E-Mails mit nicht geschäftlichem Inhalt bzw. mit unbekannten Anlagen nicht zu öffnen und weiterzuleiten. Im Vordergrund steht hierbei der Virenschutz.

In dem sogenannte Staff-Meeting wurden die Beschäftigten durch den Büroadministrator, Herrn …, hierauf hingewiesen. In dem Protokoll des Staff-Meeting vom 09.02.2000, Bl. 60–63 d.A., heißt es hierzu wie folgt:

„E-Mails dienen hauptsächlich der geschäftlichen Informationsübermittlung. Private E-Mails sollten nicht versandt werden. Es gab Beschwerden von einigen Anwälten, insbesondere … wies nochmals daraufhin, dass hierdurch Viren ins System gelangen könnten, eine fristlose Kündigung ist die Folge.”

Dieses Protokoll wurde der Klägerin übersandt.

Am 08.06.2000 erhielt die Klägerin eine E-Mail von ihrer Tante. Es handelte sich um einen sogenannten Kettenbrief; die Beliebtheit des Empfängers sollte davon abhängen, an wie viele Adressaten der Empfänger diesen Kettenbrief seinerseits wieder versenden konnte.

Auf die genannte E-Mail, Bl. 56–59 d.A., wird verwiesen. Da der Klägerin der Inhalt des Kettenbriefes zusagte, versandte sie den E-Mail-Kettenbrief an ihre Kolleginnen im Sekretariat

Wegen dieses Vorfalls kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 09.06.2000 fristlos, vorsorglich fristgerecht zum 15.07.2000. Auf das Kündigungsschreiben vom 09.06.2000, Bl. 15 d.A., wird Bezug genommen.

Die Klägerin bestreitet, dass von der von ihr geöffneten und versandten E-Mail die Gefahr ausgegangen sei, dass Computerviren in das System eingeschleust würden. Eine solche Gefahr bestehe nur dann, wenn die E-Mail-Anlagen (sogenannte Attachments) enthielten und diese Anlagen geöffnet würden.

Im Übrigen hält die Klägerin die Kündigung für unverhältnismäßig, da sie – unstreitig – vor Ausspruch der Kündigung nicht abgemahnt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin weder durch die außerordentliche noch hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.06.2000, der Klägerin zugegangen am 09.06.2000, aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin mit den wenigen Mausklicks, mit denen sie die private E-Mail geöffnet und anschließend versandt hat, den gesamten Datenbestand der Beklagten – nicht nur in Frankfurt am Main – und bei den Mandanten gefährdet habe. Diese Gefahr bestehe ungeachtet des Öffnens von Attachments (Beweis: Sachverständigengutachten, Zeugnis …).

Hätte die Gefahr sich realisiert, so hätte dies unabsehbare wirtschaftliche Folgen für die Beklagte nach sich gezogen.

Die Klägerin habe sich verhalten wie ein Tankwart, der sich beim Bedanken eines Fahrzeugs eine Zigarette anzündet.

Die Beklagte sieht eine vorherige Abmahnung für die Wirksamkeit der streitbefangenen Kündigungen als entbehrlich an. Durch ihr Verhalten habe die Klägerin das Vertrauensverhältnis so erheblich verletzt, dass eine Wiederherstellung nicht erwartet werden könne. Außerdem habe der Klägerin klar sein müssen, dass ihr Verhalten die außerordentliche Kündigung nach sich ziehen werde. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte darauf, dass der Klägerin unstreitig das Protokoll des Staff-Meeting vom 09.02.2000 übersandt worden ist

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche Kündigung vom 09.06.2000 noch durch die vorsorglich zum 15.07.2000 ausgesprochene fristgerechte Kündigung der Beklagten aufgelöst worden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hätte es zur Wirksamkeit der streitbefangenen Kündigungen einer vorherigen Abmahnung wegen eines einschlägigen Fehlverhaltens b...

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