Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Verstoß gegen Verbot privaten E-Mailverkehrs
Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen das vom Arbeitgeber ausgesprochene Verbot privaten E-Mailverkehrs, das dem Virenschutz dienen soll, rechtfertigt grundsätzlich erst nach vorangegangener erfolgloser Abmahnung den Ausspruch einer verhaltensbedingten außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20.03.2001 – Az. 5 Ca 4459/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlich ausgesprochenen Kündigung gegenüber der Klägerin.
Diese ist seit dem 07.07.1999 als Rezeptionistin in der Anwaltskanzlei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt DM 2.900,00 beschäftigt. Auf den schriftlichen Arbeitsvertrag wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 4–14 d.A.). Die Beklagten gehören zu einer internationalen Anwaltsfirma mit weltweit mehr als 4.500 Mitarbeitern an insgesamt 22 Standorten. Diese sind untereinander ebenso wie die etwa 100 Mitarbeiter in der Niederlassung … am Main für den elektronischen Datenverkehr miteinander vernetzt. Ein erheblicher Teil des Schriftverkehrs – auch mit den namhaften Mandanten – wird per E-Mail abgewickelt. Im Betrieb der Beklagten ist es im Interesse des Schutzes der umfangreichen, auch die Mandanten betreffenden Datenbestände vor elektronischen Viren untersagt, private E-Mails zu empfangen, zu öffnen oder zu versenden. Im Protokoll eines Staff-Meetings vom 09.02.2000, das auch an die Klägerin übersandt wurde, heißt es:
Emails dienen hauptsächlich der geschäftlichen Informationsübermittlung. Private Emails sollten nicht versandt werden. Es gab Beschwerden von einigen Anwälten, insbesondere. … wies nochmals darauf hin, dass hierdurch Viren ins System gelangen könnten, eine fristlose Kündigung ist die Folge.
Am 08.06.2000 erhielt die Klägerin per E-Mail einen privaten „Kettenbrief” von ihrer Tante, den sie sowohl über das Intranet im Betrieb der Beklagten an ihre Sekretariatskolleginnen als auch darüber hinaus an eine Anzahl von Adressaten außerhalb des Datennetzes der Beklagten weitersandte. Wegen des Inhalts dieser Schreiben wird ergänzend auf Bl. 56–59 d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 09.06.2000 (Bl. 136 d.A.), das der Klägerin an diesem Tag ausgehändigt wurde, kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin „fristlos oder hilfsweise zum 15.07.2000”. Die Klägerin unterzeichnete das genannte Kündigungsschreiben. Gemäß einer zur Akte gereichten Kopie (Bl. 136 d.A.) befindet sich über der Unterschrift der Klägerin handschriftlich der Zusatz: „erhalten/akzeptiert”.
Die Klägerin hat gemeint, für die Kündigung der Beklagten liege weder ein wichtiger Grund vor, noch sei sie sozial gerechtfertigt. Ohne eine vorangegangene einschlägige Abmahnung könne ihre Vertragsverletzung kein hinreichender Kündigungsgrund sein.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin weder durch die außerordentliche noch hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.06.2000, der Klägerin zugegangen am 09.06.2000, aufgelöst worden ist.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, die Klägerin hätte durch ihre Vorgehensweise nicht nur den gesamten Datenbestand der Beklagten, sondern auch denjenigen der Mandantschaft gefährdet. Das Eindringen von Viren sei nicht nur durch das öffnen von Attachments zu befürchten, sondern gerade im Zusammenhang mit „Kettenbriefen” und dem ausgelösten Schneeballeffekt zu befürchten. Das verbotswidrige Verhalten der Klägerin habe das erforderliche Vertrauensverhältnis zu ihnen so erheblich gestört, dass es durch eine vorangehende Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können.
Mit am 20.03.2001 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main – 5 Ca 4459/00 – der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das dem Kündigungsschutzrecht inne wohnende Verhältnismäßigkeitsprinzip vor Ausspruch der verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung erfordert hätte. Eine Fallkonstellation, in der dieses Erfordernis ausnahmsweise nicht bestehe, liege nicht vor. Weder könne von der Erfolglosigkeit einer solchen Abmahnung im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin in der Zukunft ausgegangen werden, noch könne ihr Verhalten als so hartnäckig und uneinsichtig angesehen werden, dass nicht die mildere Maßnahme der Abmahnung einer Kündigung hätte vorangehen müssen. Wegen der vollständigen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4–6 des Urteils (Bl. 89–91 d.A.) ergänzend Bezug genommen.
Gegen dieses den Beklagten am 10.05.2001 zugestellte Urteil haben sie am 31.05.2001 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel innerhalb der bis zum 30. Juli 2001 verl...