Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 200.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin sieht sich in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG auf koalitionsmäßige Betätigung dadurch verletzt, daß die Beklagte im Rahmen eines von ihr so bezeichneten unternehmensinternen „Bündnisses für Arbeit” gleichermaßen – und überwiegend erfolgreich – auf ihre gewerkschaftlich organisierten und auf die nicht organisierten Arbeitnehmer in den Betrieben … und … eingewirkt hat, einzelvertraglich damit einverstanden zu sein, wöchentlich drei Stunden ohne zusätzliche Vergütung länger zu arbeiten als es der einschlägige Tarifvertrag für die Metallindustrie in Hessen vorsieht. Als „Gegenleistung” versprach die Beklagte, für drei Jahre von betriebsbedingten Kündigungen abzusehen und eine beabsichtigte Investition nicht in … vorzunehmen, sondern am Standort … mit der Folge, daß dort neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
In einem an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichteten Brief vom 27. März 1996, mit dem sie für das unternehmensinterne „Bündnis für Arbeit” wirbt, führt die Beklagte, die selbst Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen, Bezirksgruppe Nordhessen e.V. ist. u. a. aus:
… Arbeitgeber, Gewerkschaften und Politiker haben bei den Gesprächen zum „Bündnis für Arbeit” noch kein Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Sicherung des Standortes Deutschland gefunden. Eines steht jedoch für alle Beteiligten fest: Deutschland hat im internationalen Vergleich die höchsten Arbeitskosten. Wie andere Unternehmen auch, ist … gezwungen zu handeln, denn kein Unternehmen kann sich auf Dauer leisten, nicht kostendeckend zu produzieren.
… Mit unserem „Bündnis für Arbeit” können wir Arbeitsplätze und den hiesigen Standort sichern. Das starre Tarifgefüge ist seit dem letzten Jahr erheblich aufgeweicht. Viele Betriebe haben sich aus den Flächentarifverträgen ausgeklinkt und individuelle Vereinbarungen zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung getroffen. …
Auf den weiteren Inhalt des Briefes, den 3.356 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhielten, wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 11–13 d.A.). Mit dem „Bündnis für Arbeit” und damit auch mit der nicht bezahlten Verlängerung der tariflichen Arbeitszeit, die für die nicht organisierte Arbeitnehmerschaft kraft einzelvertraglicher Bezugnahme galt, erklärten sich 3.234 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einverstanden. Das „Bündnis für Arbeit” wird seit dem 1. Mal 1996 betrieblich umgesetzt.
Nachdem die Klägerin in den vor dem Arbeitsgericht Marburg eingeleiteten Beschlußverfahren mit ihren Verfahrenszielen erfolglos blieb, den Ausschluß der Betriebratsmitglieder aus dem Betriebsrat zu erreichen, die das „Bündnis für Arbeit” unterstützten, und die Beklagte zur Rückkehr zur tariflich festgelegten Arbeitszeit zu bewegen, empfahl sie ihren bei der Beklagten beschäftigten Mitgliedern, ihre Gewerkschaftszugehörigkeit offenzulegen und den „Rücktritt” vom „Bündnis für Arbeit” zu erklären. In der mündlichen Verhandlung war unstreitig, daß 42 Gewerkschaftsmitglieder zwischenzeitlich diesen „Rücktritt” erklärten. Die Beklagte bekräftigte, daß sie einen solchen Schritt der bei ihr beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder respektiere.
Die Klägerin ist der Meinung, das auf den Abschluß und die Durchführung des „Bündnisses für Arbeit” gerichtete Verhalten der Beklagten sei rechtswidrig im Sinne des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG. Es schränke ihr Recht auf koalitionsmäßige Betätigung ein und behindere sie bei der Wahrnehmung der ihr nach dem Tarifvertragsgesetz zugewiesenen Aufgabe. Tarifverträge abzuschließen. Bei der Aufforderung der Beklagten, ein „Bündnis für Arbeit” abzuschließen, gehe es ihr um nichts anderes, als die im Betrieb geltenden Tarifverträge auszuhebeln. Dadurch unterminiere sie ihre Attraktivität und höhle letztlich die Tarifautonomie aus. Die Tarifverträge dienten schließlich nicht nur der Sicherung der Arbeitsbedingungen der Mitglieder der Koalition, sie dienten auch zwangsläufig als Anreizelement, einer Koalition beizutreten. Mitglieder würden für die Gewerkschaft auch dadurch geworben, daß auf die verhandelten und vereinbarten Tarifverträge hingewiesen wird. Die Mitgliederwerbung unterfalle aber dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Ergänzend wird auf die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 7. Oktober 1996 unter 2.) – 4.) Bezug genommen (Bl. 42–45 d.A.).
Die Beklagte könne sich bei ihrem Handeln nicht auf das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG berufen. Das Günstigkeitsprinzip stehe in einem funktionalen Zusammenhang zur Regelungsstruktur des Tarifvertragsgesetzes. Beachte man dies, erweise sich die von der Beklagten angebotene „Beschäftigungsgarantie” nicht als die günstigere Regelung. Wegen der Einzelheiten ihrer diesbezüglichen Argumentation wird auf die Ausführungen unter 3.) der Klageschrift verwiesen (Bl. 8–10 d.A.).
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu ve...