Leitsatz (amtlich)
1. Dem Betriebsrat steht im Falle einer Betriebsratsanhörung nach § 111 S. 1 BetrVG ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch auf Unterlassung betriebsbedingter Kündigungen bis zur Beendigung des Interessenausgleichsverfahrens zu. Hieran hat auch die gesetzliche Neuregelung durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 01. Oktober 1996 nichts geändert.
2. Der Verhandlungsanspruch des Betriebsrates über einen Interessenausgleich wird zeitlich nicht durch die Fristen des § 111 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BetrVG begrenzt, denn diese beziehen sich nur auf den individualrechtlichen Nachteilsausgleichsanspruch.
Tenor
Die einstweilige Verfügung vom 22. Oktober 1997 wird bestätigt.
Tatbestand
I.
Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen, das im Bereich des Feuerschutzes und der Sicherheit tätig ist. Der Antragsteller ist der in der Hamburger Niederlassung der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. In der Hamburger Niederlassung sind derzeit noch 28 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.
Am 23. Juli 1997 fand in der Niederlassung Hamburg ein Gespräch zwischen dem Antragsteller und dem Hauptabteilungsleiter Personal- und Sozialwesen Herrn S. der Antragsgegnerin statt. Hierbei wurde dem Betriebsrat von selten des Unternehmens mitgeteilt, daß eine Schließung der Hamburger Niederlassung beabsichtigt sei. Es soll eine Verlagerung an den Standort K. erfolgen. Die Umstrukturierung soll insgesamt zum Wegfall von 12 Stellen führen. Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß es sich bei der Arbeitgebermaßnahme um eine Betriebsänderung handelt.
Mit Schreiben vom 13. August 1997 wandte sich die Antragsgegnerin an den Antragsteller und übersandte diesem den Entwurf für einen Interessenausgleich (Anlage A 1, Bl. 18 ff. d.A.).
Mit Schreiben vom 03. September 1997 übermittelten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers der Arbeitgeberseite ihren Entwurf für einen Sozialplan (Anlage AG 5, Bl. 45 ff. d.A.).
Am 05. September 1997 fanden Verhandlungen zwischen beiden Seiten statt.
Mit Schreiben vom 16. September 1997 unterbreiteten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ein weiteres Angebot hinsichtlich einer Abfindungsregelung (Anlage AG 6, Bl. 55 d.A.). Falls auf der angebotenen Grundlage eine Einigung nicht möglich sei, würden die Verhandlungen für gescheitert erklärt und es würde die Einsetzung einer Einigungsstelle unter Vorsitz von Herrn N. dem V. des Landesarbeitsgerichts H. vorgeschlagen.
Daraufhin antworteten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17. September 1997 und erklärten die Verhandlungen für gescheitert (Anlage A 2, Bl. 22 f. d.A.). Des weiteren teilten diese mit, daß nunmehr die Einigungsstelle betreffend einen Interessenausgleich über die Schließung der Niederlassung Hamburg angerufen werde und als Vorsitzender der Einigungsstelle wurde Herr H., der … des Arbeitsgerichts E., vorgeschlagen.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 1997 hörte die Antragsgegnerin den Betriebsrat zu sieben beabsichtigten Kündigungsfällen an (Anlage A 3, Bl. 24 d.A.).
Unter dem Datum des 21. Oktober 1997 hat Herr K., der Vorsitzende des Beteiligten zu 1), die in der Antragschrift enthaltenen tatsächlichen Angaben eidesstattlich versichert (Bl. 17 d.A.).
Auf Antrag des Betriebsrats faßte die erkennende Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg am 22. Oktober 1997 folgenden Beschluß:
„Der Antragsgegnerin bzw. den gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ohne Termin zur Anhörung der Beteiligten – bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu DM 500.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung oder der Ordnungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin untersagt, die geplante Betriebsänderung in Form der Schließung des Betriebes – u.a. mit z.Zt. geplanten sieben betriebsbedingten Kündigungen – durchzuführen, insbesondere entsprechende Kündigungen auszusprechen, solange nicht das Verfahren zwischen den Beteiligten über einen Interessenausgleich nach § 112 Abs. 3 Satz 2 und 3 BetrVG inklusive eventueller Verhandlungen in einer Einigungsstelle beendet ist.”
Am 24. Oktober 1997 beschließt die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg im Einigungsstelleneinsetzungsverfahren (Az. 9 B V 12/97) die Einsetzung einer Einigungsstelle bei der Antragsgegnerin zum Regelungsgegenstand Interessenausgleich und Sozialplan mit Herrn N. als Vorsitzenden und zwei Beisitzern je Seite.
Der Antragsteller ist der Auffassung, für die begehrte einstweilige Verfügung sei ein Verfügungsanspruch gegeben, denn der Verhandlungsanspruch des Betriebsrats im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen müsse gesichert werden. Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens seien weder durch Einigung noch durch Scheitern der Gespräche beendet. Hinzu komme, daß der Arbeitgeber den Betriebsrat noch nicht umfassend über die geplante Betriebsänderun...