Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht nicht bereits dann, wenn der Arbeitgeber gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer eine Anordnung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG trifft, nach der der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen hat. Für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bedarf es konkreter Anhaltspunkte, die einen kollektiven Bezug der Maßnahme erkennen lassen. Allein aus einer solchen Anordnung kann nicht auf eine generelle Vorgehensweise des Arbeitgebers geschlossen werden.

 

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um ein Mitbestimmungsrecht des antragstellenden Betriebsrats bei der Anordnung der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin gegenüber einem Arbeitnehmer, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen.

Bei dem Beteiligten zu 1. (Betriebsrat) handelt es sich um den in dem Musical- und Theaterbetrieb der Beteiligten zu 2. (Arbeitgeberin) bestehenden Betriebsrat.

Im Betrieb der Arbeitgeberin wird unter anderem der Arbeitnehmer Herr M.D. beschäftigt, der der Abteilung „D.” zugeordnet ist. Die Geschäftsführung erließ ihm gegenüber die Anordnung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG, bereits am ersten der Tag der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Gegenüber keinem der anderen bei der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmern erging eine entsprechende Anordnung. Für sie gilt § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG, wonach der Arbeitnehmer erst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an dem darauffolgenden Arbeitstag vorlegen muß.

Der Betriebsrat versuchte zunächst, bei der Arbeitgeberin, dort dem Theaterleiter Herrn A.K., die Aufhebung der Anordnung gegenüber Herrn M.D. zu erreichen. Die Arbeitgeberin wies dieses Anliegen zurück. Sie wurde daraufhin mit anwaltlichem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vom 20. August 2007 nach vorheriger entsprechender Beschlußfassung durch den Betriebsrat erneut aufgefordert, die Anordnung bis zu einer Einigung zwischen den Betriebspartnern aufzuheben (Anl. Ast. 1, Bl. 5 ff. d.A.). Die Arbeitgeberin lehnte weiterhin ab (Anl. Ast. 2, Bl. 8 f. d.A.). Ein letztes Mal wandte sich der Betriebsrat daraufhin, jedoch wiederum erfolglos, mit Schreiben vom 6. Februar 2008 an die Arbeitgeberin (Anl. Ast. 3, Bl. 10 d. A.).

Der Betriebsrat meint, die Anordnung der Arbeitgeberin gegenüber Herrn M.D. verstoße gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese die Ordnung des Betriebes betreffende Anordnung sei mitbestimmungspflichtig. Die Maßnahme wiese auch den erforderlichen kollektiven Bezug auf. Dafür sei nicht entscheidend, daß mehrere Arbeitnehmer betroffen seien; die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer könne nur ein Indiz sein. Entscheidend bleibe der Inhalt der Maßnahme.

Der Betriebsrat behauptet, die Arbeitgeberin habe mit der Anordnung allgemeine Regeln aufgestellt. Dies folge schon daraus, daß zuvor ein Kriterienkatalog erstellt worden sein müsse, aufgrund dessen die Anordnung gegenüber Herrn M.D. erfolgt sei.

Der Betriebsrat beantragt zuletzt,

der Beteiligten zu 2. aufzugeben, die gegenüber dem Mitarbeiter Herrn M.D. erklärte Anordnung, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen, bis zur Zustimmung des Beteiligten zu 1. oder bis ein Spruch der Einigungsstelle die Zustimmung ersetzt, aufzuheben;

hilfsweise,

der Beteiligten zu 2. aufzugeben, Anordnungen gegenüber Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2., eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen, bis zur Zustimmung des Beteiligten zu 1. oder bis ein Spruch der Einigungsstelle die Zustimmung ersetzt, zu unterlassen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie meint, der Hauptantrag des Betriebsrats sei bereits unzulässig, da er nicht auf die abstrakte Feststellung eins Mitbestimmungsrechtes abziele, sondern auf die individuell-konkrete Feststellung eines bestimmten Rechtsverhältnisses, was nicht in einem betriebsverfassungsrechtlichen Verfahren zu klären sei.

Darüber hinaus bestehe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, da es sich bei der Anordnung gegenüber Herrn M.D. nicht um eine generelle und daher mitbestimmungspflichtige Anweisung handele, sondern um eine individuelle Maßnahme, die aufgrund aufklärungsbedürftiger Ausfallzeiten ergangen sei. Es handele sich um eine bloße Spekulation des Betriebsrats, daß vor der Anordnung ein „Kriterienkatalog” erstellt worden sei. Eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Kriterienkatalogs bestehe nicht.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG eröffnet, da es si...

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