Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. August 2002 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 4.294,86.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.
Die 1980 geborene Klägerin stellt der Beklagten seit dem 17.7.2001 Ihre Arbeitskraft im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zur Verfügung. Die Beklagte setzt die Klägerin als Servicekraft in ihren bundesweit 23 Tankstellen ein. Sie zahlt ihr Arbeitsvergütung in Höhe 1.431,62 EUR brutto monatlich.
Die Klägerin fehlte mehrfach krankheitsbedingt. Die Beklagte kündigte, die Kündigung erwies sich als unwirksam. Die Klägerin wurde in eine andere Tankstelle, nämlich in die Station K. versetzt. Die Beklagte ist weiterhin unzufrieden wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Im Verkaufsraum der Tankstelle … sind mehrere Videokameras installiert.
Mit Schreiben vom 26.8.2002 kündigte die Beklagte restlos und hilfsweise fristgerecht.
Mit ihrer am 29. August 2002 bei Gericht eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, dass diese Kündigung unwirksam sei, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB fehle bzw. die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin am 21.18.2002 um 19:36 aus der im Verkaufsraum der Tankstelle aufgestellten Eistruhe ein Eis der Marke „Manhattan Crispy” genommen und verzehrt habe. Die Klägerin habe die Warenentnahme nicht verbucht und nicht bezahlt. Der Verkaufspreis des Eises habe EUR 1,– betragen. Der Vorgang sei am 22.8.2002 entdeckt worden, als der Leiter der Tankstelle routinemäßig die Videoaufzeichnungen des Vortages kontrollierte.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die deswegen ausgesprochene fristlose Kündigung wirksam sei. Die Beklagte würde immer kündigen, wenn ein Arbeitnehmer eine Unterschlagung begangen habe. Dies sei der Klägerin auch bekannt, Eine Kontrolle der Arbeitnehmer sei nicht möglich. Die Beklagte müsse sich auf ihre Arbeitnehmer verlassen können.
Das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers sei erschüttert und nicht wieder herstellbar. Denn die Beklagte habe mehrfach darauf hingewiesen, wie bei privaten Käuten zu verfahren sei. Eine Abmahnung sei unter diesen Umständen nicht erforderlich gewesen.
Die Klägerin erfuhr erstmals im Gütetermin vom 25.9.2002 von dem ihr gemachten Vorwurf. Sie bestreitet, das Eis nicht bezahlt zu haben.
Weitere Einzelheiten des Vorbringens der Parteien ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie den mündlichen Erklärungen der Parteien. Darauf wird ergänzend gem. § 313 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Sache war durch den Vorsitzenden allein zu entscheiden, weil die Parteien den entsprechenden Antrag gem. § 55 ArbGG gestellt haben.
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 26. August 2002 beendet das Arbeitsverhältnis weder fristlos, noch fristgemäß. Die Kündigung ist rechtsunwirksam. Diese Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefasst im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG):
Der Feststellungsklage ist zu entsprechen. Die Kündigung vom 26. August 2002 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auflösen können. Sie ist schon auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens unwirksam.
A.
Zugunsten der Beklagten konnte unterstellt werden, dass im Hinblick auf die Videokameras, die die Klägerin filmten, ein Beweisverwertungsverbot nicht besteht (vgl. Stein, AR-Blattei SD 830 Rn. 220). Es brauchte nicht aufgeklärt zu werden, ob die Klägerin tatsächlich das Eis nicht bezahlt hat. Wäre diese Behauptung der Beklagten zutreffend, würde es sich um den Diebstahl einer geringwertigen Sache im Sinne des § 248 a StGB handeln.
Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Behauptungen der Beklagten zutreffend wären, würde sich aus rechtlichen Gründen ergeben, dass die fristlose Kündigung ebenso wie die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung unwirksam ist.
B.
I.
Die Klägerin hat ihre Klage innerhalb von drei Wochen seit Ausspruch der Kündigung (26.8.2002) bei Gericht einreichen lassen (29.8.2002). Damit hat die Klägerin selbst ohne Berücksichtigung der Wertungen aus § 270 Abs. 3 ZPO (vgl. dazu BAG Urteil vom 17. Juni 1998 RzK I 7 b Nr. 32) die ihr in den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG zur Erhebung der Kündigungsschutzklage gesetzte dreiwöchige Frist gewahrt. Die Kündigung „gilt” folglich nicht schon kraft Gesetzes nach den §§ 13 Nr. 1 Satz 2, 7 (1. Halbsatz) KSchG als „von Anfang an rechtswirksam. Sie bedarf vielmehr – schon als ordentliche Kündigung – eines besonderen, sie „sozial rechtfertigenden” (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), als außerordentlic...