Nachgehend
Tenor
Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 10 Abs. 1 Satz 1 des Bundesurlaubsgesetzes vom 08. Januar 1963 (BGBl. I S. 2), neugefaßt mit Wirkung vom 01. Oktober 1996 durch das arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476), insoweit verfassungswidrig ist, als er bestimmt, daß der Arbeitgeber berechtigt ist, von je fünf Tagen, an denen der Arbeitnehmer infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (§ 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes) an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, die ersten zwei Tage auf den – vorliegend – tarifvertraglichen Erholungsurlaub anzurechnen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt nach § 10 Abs. 1 S. 1 BUrlG n. F. berechtigt war, wegen der vom Kläger in Anspruch genommenen medizinischen Rehabilitationsmaßnahme Urlaubstage auf seinen restlichen tariflichen Erholungsurlaub für 1997 anzurechnen.
Der am 27.01.1941 geborene, als Schwerbehinderter im Sinne des Schwerbehindertengesetzes anerkannte Kläger ist seit 1973 als Gartenbauhelfer im Grünflächenamt der beklagten Stadt gegen einen Bruttomonatsverdienst von DM 3.500,00 in der 5-Tagewoche bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (fortan: BMT-G II) vom 31.01.1962 in der Fassung des 45. Ergänzungstarifvertrags vom 15.12.1995 Anwendung. Nach dessen § 41 Abs. 3 steht dem Kläger ein tariflicher Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen zu. Darüber hinaus hat der Kläger als Schwerbehinderter nach § 47 SchwbG einen Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von 5 Arbeitstagen im Urlaubsjahr.
Vom 10.06.1997 (Dienstag) bis zum 30.06.1997 (Montag) befand sich der Kläger, ohne arbeitsunfähig krank zu sein, in einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Federseeklinik in Bad Buchau. Dabei handelte es sich also weder um eine Anschlußrehabilitation noch, um eine Kur nach § 11 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes.
Die beklagte Stadt rechnete ihm für die 15 Arbeitstage dauernde Kur gem. § 10 Abs. 1 S. 1 BUrlG n.F. 6 Urlaubstage auf seinen tariflichen Erholungsurlaub für 1997 an. Von den dem Kläger einschließlich des Zusatzurlaubs nach § 47 SchwbG für 1997 insgesamt zustehenden 35 Tagen Erholungsurlaub waren ihm bereits vor der Anrechnung der beklagten Stadt 22 Tage Erholungsurlaub in natura gewährt worden. Nach Vornahme der im Streite stehenden Anrechnung erhielt der Kläger am 29.08.1997 einen weiteren Tag Erholungsurlaub, so daß ihm unstreitig jedenfalls noch 6 Tage Erholungsurlaub für das Jahr 1997 zur Verfügung stehen.
Mit seiner der beklagten Stadt am 22.08.1997 zugestellten Klage will der Kläger festgestellt wissen, daß ihm für das Urlaubsjahr 1997 über die unstreitigen 6 Tage Erholungsurlaub hinaus weitere 6 Tage Erholungsurlaub zustehen.
Er vertritt die Auffassung, der von der beklagten Stadt in Anspruch genommenen gesetzlichen Anrechnungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 S. 1 BUrlG n. F. stünden die gesetzliche Bestimmung verdrängende tarifliche Regelungen entgegen. Jedenfalls aber sei § 10 Abs. 1 S. 1 BUrlG n.F. verfassungswidrig, da die danach dem Arbeitgeber gesetzlich zustehende Anrechnungsbefugnis gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstoße, weil damit der Gesetzgeber in bestehende Tarifverträge eingreife.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, daß er für das Urlaubsjahr 1997 über den unstreitigen Resturlaub von 6 Urlaubstagen einen weiteren Resturlaubsanspruch in Höhe von 6 Urlaubstagen hat.
Die beklagte Stadt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, der BMT-G II enthalte keine Regelung, der zufolge das Anrechnungsrecht des Arbeitgebers nach § 10 Abs. 1 S. 1 BUrlG n.F. ausgeschlossen sei. Daraus folge, daß sie von der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden gesetzlichen Anrechnungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 S. 1 BUrlG n.F. zu Recht Gebrauch gemacht habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.09.1997 hat der Kläger seinen Feststellungsantrag um einen Tag Erholungsurlaub zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, weil sie davon überzeugt ist, daß die vorliegend entscheidungserhebliche am 01.10.1996 in Kraft getretene formelle gesetzliche Bestimmung des § 10 Abs. 1 S. 1 BUrlG n. F. mit Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG unvereinbar ist.
Der Ausgang des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die durch das arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 25.09.1996 (BGBl. I S. 1476) am 01.10.1996 in Kraft getretene – also unter der Geltung des Grundgesetzes er...