Entscheidungsstichwort (Thema)
Temporäre Masseunzulänglichkeit. persönliche Haftung des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter auch eine temporäre Masseunzulänglichkeit anzeigen.
2. Die Rückkehr ins Regelinsolvenzverfahren erfolgt formal auf gleiche Weise wie die Anzeige der (temporären) Masseunzulänglichkeit.
3. Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO kann auch zweimal angezeigt werden mit der Folge, dass aus bisherigen Neumasseschulden ebenfalls solche gemäß § 209 Abs. 1 Ziffer 1 InsO werden.
4. Bei einer Leistungsklage führt die Anwendbarkeit von § 210 InsO (sowohl erstmalig als auch erneut) hinsichtlich der geltend gemachten Forderung zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses.
5. Für eine Klage auf Schadensersatz gemäß § 61 InsO gegen den Insolvenzverwalter persönlich ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.
6. Die Anzeige lediglich temporärer Massezulänglichkeit lässt einen Schaden gemäß § 61 InsO nicht entfallen.
7. Für die Exkulpation gemäß § 61 Satz 2 InsO trägt der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast, wobei die Anforderungen an den Insolvenzverwalter, die Masse zu halten, bei bereits angezeigter Masseunzulänglichkeit besonders hoch sind.
8. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Insolvenzverwalter in Bezug auf sein Erkennenkönnen der Masseunzulänglichkeit gemäß § 61 Satz 2 InsO ist bei einem Arbeitsvertrag, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, nicht etwa ausschließlich Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern aufgrund des Charakters als Dauerschuldverhältnis jeder Moment, in dem der Arbeitnehmer durch Leistung seiner Arbeit in Vorleistung tritt.
Normenkette
InsO § 61; InsO 208; InsO 209; InsO 210
Tenor
I. Das Versäumnisurteil vom 07. Februar 2002 wird unter Aufhebung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von DM 5.360,63 (EUR 2.740,85) brutto abzüglich DM 800,00 (EUR 409,03) netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß DÜLG vom 09. Juni 1998 bzw. gemäß § 247 BGB p.a. seit dem 02. März 2001 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte zu 2. und der Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits je zu Hälfte. Die Beklagten tragen die zusätzlichen Kosten der Säumnis je zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf DM 10.721,26 = EUR 5.481,69 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über der Höhe nach unstreitige Zahlungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche für den Zeitraum Januar und Februar 2001. Der Beklagte zu 1. hat als Insolvenzverwalter den Kläger nach Insolvenzeröffnung eingestellt und ihn im streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigt. Der Beklagte zu 1. tritt der Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Vergütungsansprüche und Urlaubsabgeltungsansprüche unter Hinweis auf die Masseunzulänglichkeitsanzeige vom 08. März 2001 entgegen. Gegen den Beklagten zu 2., also den Insolvenzverwalter persönlich, macht der Kläger die Ansprüche unter Bezugnahme auf § 61 InsO sowie cic geltend. Der Beklagte zu 2. verneint diesen Anspruch unter Hinweis auf die mangelnde Erkennbarkeit der voraussichtlichen Massearmut.
Über das Vermögen der G.E.G. G… E… GmbH (vormals T… G… E… GmbH) ist am 16. August 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet worden und der Beklagte zu 1. als Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Im Beschluss am 16. August 2000 ist zugleich Masseunzulänglichkeit angezeigt worden.
Unter dem 10. September 2000 bzw. unter dem 10. Oktober 2000 kam es zu einer Gläubigerversammlung. Im Protokoll dieser Gläubigerversammlung heißt es unter I. 1.:
1. Unternehmensfortführung.
Danach besteht Aussicht, das Unternehmen im Ganzen zu erhalten. Hierbei können die Gläubiger voraussichtlich wie folgt befriedigt werden: Eine Prognose über eine zu erwartende Quote kann derzeit noch nicht gestellt werden.
Unter IV. 3. heißt es:
3. Unternehmensstilllegung, § 157 InsO
Die Gläubigerversammlung beschloss: Das Unternehmen soll vorläufig fortgeführt werden. Der Beschluss wurde einstimmig gefasst.
Unter II. heißt es:
Der Insolvenzverwalter berichtete, dass die Insolvenzmasse ausreichen werde, um die Kosten des Verfahrens zu decken.
Unter dem 15. Oktober 2000 wurde der Kläger bei der Beklagten als Vorarbeiter im Bereich Kabelverlegung eingestellt. Der Monat Januar 2001 ist seitens des Beklagten zu 1. abgerechnet worden. Daraus ergibt sich ein Bruttobetrag von DM 3.155,63 DM. Im Monat Februar 2001 hat der Kläger insgesamt 123 Stunden gearbeitet und kann insoweit brutto DM 1.845,00 beanspruchen. Im Übrigen steht dem Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von DM 360,00 zu. Der Kläger erhielt seitens des Beklagten zu 1. eine Abschlagszahlung in Höhe von DM 800,00. Mit Schreiben vom 08. März 2001 hat der Beklagte zu 1. gegenüber dem Amtsgericht Kiel die temporäre Masseunzulänglichkeit angezeigt. Der Kläger erhielt keine Abschrift dieser Anzeige.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Klage gegenüber dem Beklagten zu 1. zulässig sei, da es sich bei ihm um einen ...