Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Verhältnismäßigkeit. Einladung zur Wahlversammlung. Schutz des Arbeitnehmers bei Vorbereitung der Wahlversammlung. Schutz des Arbeitnehmers bei der Vorbereitung der Versammlung zur Wahl eines Betriebsrates
Leitsatz (amtlich)
Bereitet ein Arbeitnehmer das Einladungsschreiben für die Wahlversammlung vor und nimmt hierfür geringfügig Arbeitszeit in Anspruch, so rechtfertigt dies nicht die Erteilung einer Abmahnung.
Normenkette
BGB §§ 242, 1004; BetrVG § 37 Abs. 2
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin mit Schreiben vom 12.04.2010 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstands beträgt 2.639,25 EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.
Die Klägerin ist 35 Jahre, ledig und hat keine Kinder zu unterhalten. Sie ist seit dem 01.01.2002 als Sachbearbeiterin gemäß des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.11.2001 und des Änderungsvertrages vom 30.09.2005 (Bl. 4-10 d.A.) bei der Beklagten beschäftigt.
Da im Betrieb der Beklagten kein Betriebsrat besteht, fassten die Klägerin sowie zwei wahlberechtigte Arbeitnehmer, nämlich die Arbeitnehmerin K. O. sowie der Arbeitnehmer H. B., den Entschluss, die Einberufung einer Wahlversammlung zur Gründung eines Betriebsrates vorzunehmen. Die Wahlversammlung sollte am 16.04.2010 stattfinden. Unter Bezugnahme auf § 28 Abs. 2 Wahlordnung bat man mit Schreiben vom 08.04.2010 (Bl. 17-18 d.A.) um die zur Ausfertigung einer Wählerliste erforderlichen Unterlagen in einem versiegelten Umschlag. Das Schreiben war an die K. gerichtet. Am gleichen Tag erwiderte die Beklagte und beanstandete, dass die Bitte „unspezifiziert an die K.” gerichtet sei. Es bestünden mehrere „K. Gesellschaften”. Die Klägerin wurde auch vom Geschäftsführer der Beklagten, H. A. mündlich auf den „Formfehler” aufmerksam gemacht und aufgefordert, die Adressierung zu korrigieren (vgl. Schreiben vom 08.04.2010, Bl. 20-21 d.A.).
Nach diesem Schreiben unterrichtete der Mitarbeiter H. B. F. O. Die Klägerin erhielt von ihm kurz das Telefon und teilte F. O. mit, dass der Empfänger des Schreibens zu korrigieren war. Das Gespräch dauerte allenfalls wenige Minuten. In der Folgezeit wurde der Empfänger des Schreibens von H. B. korrigiert. In der Mittagspause traf man sich sodann, um das korrigierte Schreiben nochmals gemeinsam zu unterzeichnen.
Mit Datum vom 12.04.2010 erteilt die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung, da sie am 08.04.2010 während ihrer Dienstzeit Tätigkeiten ausgeführt habe, die nichts mit ihrer originären Aufgabe zu tun hätten (Bl. 23 d.A.).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass diese Abmahnung unwirksam sei. Sie genüge nicht den in Rechtsprechung und Schrifttum allgemeinen anerkannten Anforderungen. Die Abmahnung sei wenig präzise formuliert. Zudem enthalte sie rechtliche Bewertungen, die nicht haltbar seien. Die Abänderung des Schreibens sei von ihr, der Klägerin nicht während der Arbeitszeit vorgenommen worden. Das Schreiben sei sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Fassung allein vom Zeugen B. erstellt worden. Im Übrigen habe sie am 8. April 2010 während der Gleitzeitphase um 7:50 Uhr das vom Zeugen B. verfasste Schreiben unterschrieben. Die Korrektur sei sodann in ihrer Mittagspause unterzeichnet worden. Eine Vertragsverletzung liege nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die der Klägerin mit Schreiben vom 12. April 2010 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Abmahnung rechtswirksam sei. Die Klägerin habe anlässlich der geplanten Gründung des Betriebsrates Handlungen vorgenommen, die nicht mit der von ihr geschuldeten Arbeitsleistung im Zusammenhang stehen würden. Die Klägerin habe während ihrer Arbeitszeit gemeinsam mit einer weiteren Kollegin ihre Arbeit ruhen lassen, um sich über die weitere Vorgehensweise im Hinblick auf die Adressierung des Schreibens abzustimmen und habe sodann das Schreiben abgeändert. Eine solche Tätigkeit führe dazu, dass der damit befasste Arbeitnehmer von seiner Arbeit abgelenkt werde. Dadurch werde der Betriebsablauf zwangsläufig beeinträchtigt. Es sei dabei nicht entscheidend, ob die Tätigkeit eine erhebliche Störung des Betriebsablaufes verursacht habe. Der Arbeitgeber müsse solche Betriebsstörungen vorbeugen können, indem er jede von der Arbeitsleistung abweichende Betätigung während der Arbeitszeit generell als Vertragsverletzung abmahne.
Die beanstandete Tätigkeit hätte auch außerhalb der Arbeitszeit erledigt werden können, etwa während einer Pause. Die einem Arbeitnehmer grundsätzlich freistehende Entscheidung, Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Gründung eines Betriebsrates zu erbringen, könne während der arbeitsfreien Zeit in ausreichendem Umfange innerhalb und außerhalb des Betriebes erfolgen. Die von der Klägerin ausgeübte vertragsfr...