Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeit. Bereitschaftsdienst. Arbeitsbereitschaft. Richtlinie 93/104/EG. Rettungsdienst
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hinaus nur verpflichtet ist, durchschnittlich 48 Stunden pro Woche Arbeitsleistung zu erbringen.
2. Im übrigen wird die Klage – soweit nicht bereits durch Teilurteil beschieden – als unzulässig verworfen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Wert des Streitgegenstandes dieses Schlussurteils wird auf 1.952,56 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger verpflichtet ist, höchstens 48 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Ob Umkleidezeiten zur Arbeitszeit zählen, ist mit Teilurteil vom 5.9.2001 erstinstanzlich bereits entschieden; das hiergegen gerichtete Berufungsverfahren wird beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 22 Sa 82/01 geführt.
Der Beklagte hat etwa 100 Mitarbeiter und ist auf den Gebieten des Rettungsdienstes, der mobilen Pflege, des Behindertenfahrdienstes, der Verwaltung tätig. Zudem betreibt der Beklagte einen Kinderhort und die Rettungsleitstelle. Im Bereich des bodengebundenen Rettungsdienstes werden die Rettungswachen … und … betrieben und zwar rund um die Uhr. Die weitere Rettungswache in … ist 12 Stunden tagsüber besetzt.
Der Kläger ist bei dem Beklagten als Rettungsassistent seit Mai 1979 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Vereinbarung der Parteien im Arbeitsvertrag der DRK-Tarifvertrag-West in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Kläger wird nach Vergütungsgruppe Vc bezahlt, dies waren zur Zeit der Klagerhebung monatlich 5.293,46 DM brutto = 2.706,50 EUR brutto.
§ 14 des hier anwendbaren Tarifvertrages lautet:
§ 14 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 39 Stunden (ab 01.04.1990: 38 ½ Stunden) wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von 26 Wochen zugrunde zu legen. (*) …
(2) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden (**)
- bis zu zehn Stunden täglich (durchschnittlich 49 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt,
- bis zu elf Stunden täglich (durchschnittlich 54 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fällt,
- bis zu zwölf Stunden täglich (durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich), wenn der Mitarbeiter lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muss, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten.
(3) Die regelmäßige Arbeitszeit kann bis zu zehn Stunden täglich (durchschnittlich 50 Stunden wöchentlich) verlängert werden, wenn Vor- und Abschlussarbeiten erforderlich sind.
…
In der Protokollnotiz zu § 14 Abs. 2 DRK-TV West wird die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-TV mit Wirkung ab 01. Juli 1991 und mit Wirkung ab 01. Januar 1993 weiterhin wie folgt eingeschränkt:
§ 14 Abs. 2 a: Von 47 Stunden/Woche auf 45 Stunden/Woche. § 14 Abs. 2 b: Von 51 Stunden/Woche auf 49 Stunden/Woche. § 14 Abs. 2 c: Von 56,5 Stunden/Woche auf 54 Stunden/Woche.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung galt nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz:
§ 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer
Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
…
§ 7 Abweichende Regelungen
(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,
1. abweichend von § 3
- die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich auch ohne Ausgleich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt,
- einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen.
- ohne Ausgleich die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden werktäglich an höchstens 60 Tagen im Jahr zu verlängern.
…
(3) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Absatz 1 oder 2 können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebsrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden. Können auf Grund eines solchen Tarifvertrags abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch gemacht werden. Eine nach Absatz 2 Nr. 4 getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung hat zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart i...