Tenor
Das Arbeitsgericht Lübeck erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit von Amts wegen gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a GVG an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Essen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten nach beendetem Arbeitsverhältnis um Zahlung, Herausgabe sowie Zeugniserteilung.
Der Kläger war vom 15.08.2000 bis 30.11.2000 als Außendienstmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde tätig von seinem Wohnsitz in Lübeck aus. Von dort nahm der Kläger jeweils seine Reisetätigkeit auf und kehrte dorthin immer wieder zurück. Sein Einsatzbereich umfasste zumindest Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht Lübeck sei für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites örtlich zuständig. Der Wohnsitz des Klägers sei als Erfüllungsort für dessen Arbeitsleistung anzunehmen.
Entscheidungsgründe
II.
Das Arbeitsgericht Essen ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits örtlich zuständig. Sitz der Beklagten ist Essen, dort ist ihr allgemeiner Gerichtsstand begründet (§ 17 ZPO). Grundsätzlich zuständig für Klagen gegen die Beklagte ist daher nach § 12 ZPO das Arbeitsgericht Essen. Deshalb ist nach entsprechender Rüge der Beklagten der Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Gericht zu verweisen (§ 48 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 17 a GVG).
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist ein Gerichtsstand beim Arbeitsgericht Lübeck nicht begründet.
1.
Die Voraussetzungen des Gerichtsstands der Niederlassung nach § 21 ZPO werden von keiner Partei behauptet. Der Vortrag des Klägers, wonach Herr … den Vertrieb von Lübeck aus leitet, reicht zur Annahme der Voraussetzungen einer selbständigen Niederlassung nicht aus.
2.
Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Lübeck ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO. Im Bereich des Arbeitsgerichts Lübeck gibt es keinen Erfüllungsort für die streitgegenständlichen Verpflichtungen. Insbesondere ist ein solcher Erfüllungsort nicht am Wohnsitz des Klägers begründet.
a)
Grundsätzlich gibt es für die einzelnen Leistungspflichten aus einem Vertragsverhältnis keinen einheitlichen Erfüllungsort. Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 Abs. 1 ZPO kann nur das Gericht sein, an dem die jeweils streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, bestimmt sich nach materiellem Recht (vgl. BGH WM 1992, 1297). Nachdem im Arbeitsverhältnis gesetzliche Bestimmungen den Ort der Vertragserfüllung nicht festlegen, bestimmt sich dieser nach § 269 BGB. Danach ist Erfüllungsort bzw. Leistungsort der Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlung vorzunehmen hat (LAG München NZA 1988, Beilage Nr. 2, 23). Da Erfüllungsortvereinbarungen im Arbeitsverhältnis mit prozessualer Wirkung ausscheiden, vgl. § 29 Abs. 2 ZPO, kann der Erfüllungsort noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses entnommen werden. Die Frage des Leistungsortes ist dabei grundsätzlich für jede Leistungspflicht aus dem Vertragsverhältnis gesondert zu prüfen (Palandt/Heinrichs, 56. Aufl., § 269 Rn. 7). Der Kläger begehrt u.a. Zahlung von Entgelt. Geldschulden sind gemäß § 270 BGB Schickschulden, die stets am Sitz der Beklagten zu erfüllen sind. Grundsätzlich sind die Arbeitspapiere wie das Zeugnis und die Lohnsteuerkarte vom Arbeitnehmer abzuholen. Es handelt sich um eine Holschuld, die ebenfalls am Sitz der Beklagten zu erfüllen ist.
b)
Mitunter kann den Umständen und der Natur des Schuldverhältnisses ein einheitlicher Erfüllungsort für alle Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis entnommen und so eine Spaltung des Leistungsortes bei zweiseitigen Verträgen vermieden werden.
Bei Arbeitsverhältnissen, auch bei wechselnden Leistungsorten, wird insoweit die Auffassung vertreten, dass für sämtliche Verpflichtungen der Vertragsparteien ein einheitlicher Leistungsort aus § 269 Abs. 1 BGB anzunehmen ist (BAG Beschluß vom 03.11.1993 – 5 AS 20/93 –, AP Nr. 11 zu § 17 a GVG; Urteil vom 12.06.1986 – 2 AZR 398/85 –, AP Nr. 1 zu Artikel 5 Brüsseler Abkommen; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.11.1984 – 8 Sa 694/84 –, NZA 1985, 540). Davon geht auch die erkennende Kammer – trotz dogmatischer Bedenken (s.o.) – aus.
Für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne von § 269 Abs. 1 BGB ist maßgebend, wo der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses liegt. Zwar nimmt eine verbreitete Ansicht in der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung (BAG Beschluß vom 03.11.1993, Beschluß vom 10.07.1995 und Urteil vom 12.06.1986 a.a.O.; Grunsky, ArbGG, 7. Auflage, § 2 Rn 39 a) an, dass der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses eines für die Bearbeitung eines größeren (das heißt den Bezirk eines Arbeitsgerichts überschreitenden) Bezirks angestellten Außendienstmitarbeiters dessen Wohnsitz ist, wenn er von dort seine Reisetätigkeit aufnimmt.
Die erkennende Kammer ist dieser Auffassung in der Vergangenheit gefolgt. Für die Gegenansicht, die mittlerweile von zahlreichen Instanzgerichten gete...