Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Diebstahls eines zur Entsorgung bestimmten Gegenstands. „Kinderbettfall”

 

Nachgehend

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.02.2010; Aktenzeichen 13 Sa 59/09)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 beendet wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Hofarbeiter weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 9.966,00.

 

Tatbestand

I.

Mit seiner am 12.12.2008 beim Arbeitsgericht Mannheim eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 10.12.2008 und begehrt daneben seine Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist seit 02.05.2000 im Betrieb der Beklagten, in welchem ca. 60 Arbeitnehmer beschäftigt sind, als Hofarbeiter mit einem Bruttomonatsseinkommen in Höhe von durchschnittlich 2.491,00 EUR beschäftigt. Er ist seiner Ehefrau und zwei Kindern im Alter von einem Jahr und vier Jahren gegenüber unterhaltsverpflichtet. Die Ehefrau des Klägers ist nicht berufstätig.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Entsorgungsunternehmen, welches sich hauptsächlich mit Abfalltransporten sowie mit der Sortierung von Abfällen befasst. Zu den Auftraggebern gehören private Unternehmen und unter anderem auch die Stadt Mannheim. Die Vertragsverhältnisse mit den Auftraggebern unterhalten unter anderem die Verpflichtung, Wertstoffe einzusammeln, zu befördern und fachgerecht zu entsorgen. Inhalt der Tätigkeit des Klägers ist es insbesondere, Altpapier zu sortieren, Stapler zu fahren und sonstige Hilfsarbeiten auszuführen.

Am 05.12.2008 gegen 13:40 Uhr entnahm der Kläger aus dem Inhalt eines Altpapiercontainers, welcher zum Verarbeiten am Zuführband zur Altpapierpresse abgeladen worden war, ein in einem Karton befindliches Kinderreisebett. Gemeinsam mit einem Leiharbeitnehmer baute er in der Halle das Kinderreisebett zusammen und überprüfte dessen Funktionsfähigkeit. Anschließend baute der Kläger das Kinderreisebett wieder auseinander, transportierte es zu seinem PKW, welcher sich auf dem Mitarbeiterparkplatz befand, und legte das Kinderreisebett in das Fahrzeug.

Diesen Vorfall beobachtete der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und Vorgesetzte des Klägers, Herr A., auf dem Monitor der Videoanlage in den Räumen der Disposition.

Allen Arbeitnehmern, auch dem Kläger, ist bekannt, dass der streitgegenständliche Arbeitsraum videoüberwacht wird.

Daraufhin unterrichtete Herr A. den Geschäftsführer der Beklagten von dem Vorfall.

Am 08.12.2008 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat auch schriftlich zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Die Einzelheiten der Anhörung sind zwischen den Parteien streitig.

Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 09.12.2008 mit, dass er angehört worden sei und die Kündigung „zur Kenntnis” nehme.

Unter dem 13.07.2007 hatte der Kläger eine schriftliche Abmahnung erhalten, deren inhaltliche Richtigkeit der Kläger bestreitet. Es wurde ihm vorgeworfen, am 11.07.2007 firmeneigene PET-Flaschen gesammelt und diese in „seinem Zwischenlager” deponiert zu haben (AS 58).

Gleichzeitig wurde ihm als Anlage eine interne Aktennotiz vom Januar 2007 überreicht, in der die Beklagte klar stellt, dass es nicht erlaubt sei, PET-Pfandflaschen aus der Sammlung „Gelber Sack” mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu benutzen. Eine Missachtung dieser Mitteilung habe rechtliche Schritte zur Folge.

Die Beklagte überreichte der damaligen Betriebsratsvorsitzenden eine Kopie der dem Kläger erteilten Abmahnung.

Am 07.12.2007 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger wegen angeblichen Diebstahls von Toilettenpapier statt. Streitig ist, ob der Kläger in dessen Rahmen entsprechend abgemahnt wurde.

Am 10.12.2007 unterrichtete der Geschäftsführer der Beklagten die damalige Betriebsratsvorsitzende Frau G. über den angeblichen Vorfall vom 07.12.2007 betreffend „Toilettenpapier” und das behauptete Abmahnungsgespräch mündlich.

Im Betrieb der Beklagten herrscht der Grundsatz, dass die Mitnahme von möglicherweise noch brauchbaren Gegenständen den Mitarbeitern nicht grundsätzlich untersagt ist. Vielmehr können die Mitarbeiter bei einem besonderen Interesse bei der Geschäftsführung – in der Regel bei dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn F. – nachfragen, ob sie den betreffenden Gegenstand mitnehmen dürfen. Wenn nichts dagegen spricht, erteilt die Geschäftsführung die Erlaubnis.

Der Kläger hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam.

Er macht im Wesentlichen geltend, ihm sei im Zeitpunkt der Mitnahme des Kinderbetts nicht bewusst gewesen, dass es sich um ein für ihn fremdes Objekt gehandelt habe. Nach seiner Vor...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?