rechtskräftig: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fragerecht des Arbeitgebers. Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation
Leitsatz (amtlich)
In einem bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer ohne konkrete Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Handlungen nicht „ins Blaue hinein” zu geschäftlichen oder sonstigen Beziehungen zu einer Organisation fragen, die er für verfassungsfeindlich hält.
Normenkette
BMT-G II § 9
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, den auf Bl. 2 d. A. wiedergegebenen „Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology Organisation” auszufüllen, zu unterzeichnen und an die Beklagte zurückzugeben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf DM 5.594,48 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger verpflichtet ist, einen „Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology Organisation” auszufüllen.
Der Kläger ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 18.5.1990 (Bl. 46 d.A.) seit dem 21.5.1990 bei der Beklagten als Laborhelfer im Blutspendedienst zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 5.594,48 DM (LGr. 3 a) beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags regelt sich das Arbeitsverhältnis u.a. nach den Bestimmungen des BMT-G II vom 31.1.1962 in ihrer jeweils geltenden Fassung.
Im Rahmen seiner Einstellung füllte der Kläger einen Personalbogen vom 20.3.1990 (Bl. 47–50 d.A.) aus.
Aus einem Arbeitszeugnis der Scientology Kirche Bayern e.V. (Bl. 51 d.A.) ergibt sich, dass der Kläger vom 15.5.1978 bis 31.3.1982 bei der Scientology Kirche Bayern e.V. in der Registratur, später als Leiter der Poststelle und zuletzt als Leiter der Hausverwaltung beschäftigt war.
Mit Schreiben vom 1.9.1999 (Bl. 12 d.A.) bat die Beklagte den Kläger, den beigefügten Fragebogen zur Beziehung zur SO auszufüllen und umgehend zurückzusenden. Der Kläger weigerte sich.
Der Kläger ist der Meinung, er sei nicht verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers beschränke das Fragerecht des Arbeitgebers. Ob er Verbindungen zur Scientology Kirche habe oder nicht, sei ausschließlich seine Privatangelegenheit. Die Scientology Kirche sei eine religiöse, hilfsweise eine weltanschauliche Vereinigung ohne Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Mitgliedschaft in einer religiös-weltanschaulichen Vereinigung habe den Arbeitgeber nicht zu interessieren. Solange er sich nicht öffentlich zur Scientology Kirche bekenne oder eine herausgehobene Funktion in ihr wahrnehme, habe diese Frage Dritte nicht zu interessieren. Seine Tätigkeit bei der Beklagten sei nicht ideologisch geprägt. Ein konkreter Bezug zu seinem Arbeitsverhältnis sei völlig ausgeschlossen. Es werden auch keine Fragen nach irgendwelchen hervorgehobenen Positionen oder Tätigkeiten gestellt. Selbst wenn die Fragen eine Auswirkung auf sein Arbeitsverhältnis haben würden, stünde der Beklagten noch lange kein Frage recht zu. Der Umstand, dass er im öffentlichen Dienst tätig sei, ändere daran nichts.
Der Kläger beantragt:
Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, den nachstehenden „Fragebogen zu Beziehungen zur Scientology Organisation” auszufüllen, zu unterzeichnen und an die Beklagte zurückzugeben: (es folgt ein leerer Fragebogen, auf den Bezug genommen wird (= Bl. 2 d.A.).
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie ist der Meinung, der Kläger sei verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen. Die Scientology Kirche sei eine extremistische Organisation. Sie beruft sich hierbei auf den Beschluss des BAG vom 22.3.1995 – 5 AZB 21/94, auf die einstimmige Feststellung der ständigen Konferenz der Innenminister und – Senatoren der Länder aus der Sitzung vom 5./6.6.1997, auf den Abschlussbericht vom 6.5.1997 der Arbeitsgruppe SC der Verfassungsschutzbehörden zur Frage der Beobachtung der Scientology Kirche durch die Verfassungsschutzbehörden gemäß Auftrag der IMK vom 22.11.1996 (Bl. 552 d.A.) und die Bekanntmachung der Staatsregierung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst vom 3.12.1991 i.d.F. vom 6.12.1994 (Bl. 54–59 d.A.) im Zusammenhang mit dem dazugehörigen Verzeichnis der extremistischen Organisationen vom 6.4.1995 i.d.F. der Bek. vom 3.11.1997 (Bl. 60 d.A.). Da die Scientology Kirche eine extremistische Organisation sei, sei der Kläger verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen. Es sei ihr als Teil der staatlichen Ordnung nicht zuzumuten, Personen mittelbar oder unmittelbar zu alimentieren, die aus ihrem Selbstverständnis die staatliche Ordnung ablehnen oder sogar abzuschaffen versuchen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist mangels Anspruchsgrundlage nicht verpflichtet, den ihm von der Beklagten vorgelegten Fragebogen auszufüllen.
Die Beklagte hat das Recht, zu prüfen, ob der Kläger seinen rechtli...