Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlußverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die ordnungsgemäße Begründung eines Betriebsratswiderspruches gegen die Einstellung eines neuen Mitarbeiters reicht es aus, wenn der Betriebsrat geltend macht, es bestehe die Besorgnis, ein Arbeitnehmer, der in derselben Abteilung beschäftigt war und dessen Kündigungsschutzprozeß noch läuft, habe dadurch Nachteile zu erwarten, daß im Fall seines Obsiegens die Weiterbeschäftigung durch die Einstellung erschwert werde, weil die Abteilung nunmehr Überbesetzt sei.

2. Im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist zu prüfen, ob die befürchteten Nachteile tatsächlich zu erwarten sind. Hierzu gehört die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Arbeitnehmers im Kündigungsprozeß; zusätzlich kann die Einstellung aus sonstigen betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sein. Nachteile im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG sind nicht zu erwarten, wenn der gekündigte Arbeitnehmer eindeutig sozial schutzwürdiger ist als der neu eingestellte oder die anderen vergleichbaren Arbeitnehmer.

3. Trotz der gesetzlichen Verpflichtung für den Arbeitgeber, den Antrag nach § 100 Abs. 2 BetrVG auf Feststellung zu formulieren, daß die vorläufige personelle Maßnahme „aus sachlichen Gründen dringend erforderlich” war, entscheidet das Gericht wegen der in § 100 Abs. 3 BetrVG geregelten Folgen nur darüber, ob die Maßnahme offensichtlich nicht dringlich war. Diesen Prüfungsmaßstab hat es auch im Tenor des Beschlusses mit der Formulierung „Es wird festgestellt, daß die vorläufige Maßnahme … (nicht) offensichtlich nicht dringend erforderlich war,” zum Ausdruck zu bringen.

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, daß die vorläufige Einstellung von Frau … als Chemielaborantin in der Abteilung … nicht offensichtlich nicht dringend erforderlich ist.

II. Die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung der Arbeitnehmerin … als Chemielaborantin in der Abteilung … wird ersetzt.

III. Soweit die Feststellung beantragt ist, daß die Zustimmung nach Ziff. H. als erteilt gilt, wird der Antrag abgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung einer Arbeitnehmerin sowie Ober die Feststellung, ob die durchgeführte Einstellung dringend erforderlich im Sinne des § 100 BetrVG war.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1.) hatte in ihrem Betrieb in Nürnberg eine Abteilung „QM” – Materialrevision – gebildet. Diese bestand aus einem Labor und war zuständig für die Prüfung von Werkstoffen zur Feststellung der Qualität des bei der Antragstellerin verwendeten Materials. In der Abteilung waren neben dem Abteilungsleiter Dr. L der Elektrotechniker K und zwei Chemiefachkräfte beschäftigt Darüber hinaus existierte die Abteilung „QF” – Fertigungsrevision, zuständig für das Qualitätswesen in der Fertigung – mit dem Abteilungsleiter B und weiteren vier Chemiefachkräften. Nach dem Ausscheiden des Abteilungsleiters B Ende 1998/Anfang 1999 legte die Antragstellerin die beiden Abteilungen zusammen und bezeichnete sie nunmehr als Abteilung „QF”. Abteilungsleiter für beide Abteilungen wurde der Zeuge Dr. L, dem nunmehr auch die Personalverantwortung für den gesamten Bereich Obertragen wurde. In dieser zusammengelegten Abteilung waren daher außer dem Abteilungsleiter sechs Fachkräfte mit chemischer Ausbildung und der Angestellte K tätig.

Der Angestellte K, geboren 1946 und beschäftigt seit 01.01.1981 und daher nach den Bestimmungen des anwendbaren Manteltarifvertrages für die Angestellten der bayerischen Metall- und Elektroindustrie nicht mehr ordentlich kündbar, hat eine Ausbildung als Elektrotechniker. Die Antragstellerin sprach ihm mit Schreiben vom 28.05.1999 eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Wirkung zum 30.11.1999 aus. Als Begründung hierfür gab sie an, nach der Zusammenlegung der Abteilungen QM und QF könne der Abteilungsleiter Dr. L nicht mehr wie bisher auch Sachaufgaben im chemischen Laborbereich übernehmen. Der ausgeschiedene Abteilungsleiter B habe zu etwa 40% seiner Tätigkeiten Führungsaufgaben zu erledigen gehabt Diese müßten nunmehr vom Abteilungsleiter für den gesamten Bereich, dem Zeugen Dr. L mit übernommen werden. Daher müßten 40% einer Arbeitskraft, die ursprünglich in der Abteilung QM vom Abteilungsleiter Dr. L ab chemische Fachtätigkeit geleistet worden seien, auf die Chemiefachkräfte übertragen werden. Auch die Arbeit der ursprünglich im Labor-Abteilung QM-vorhandenden beiden Chemielaboranten und des Elektrotechnikers K müsse daher umorganisiert werden. Der Elektrotechniker K habe bisher im wesentlichen Zuarbeitertätigkeiten für die Chemiefachkräfte verrichtet Sie, die Antragstellerin, habe sich daher entschlossen, den Mittarbeiter K zu entlassen und die Hilfstätigkeiten einerseits sowie die 40% an Chemikertätigkeit, die vorher Dr. L geleistet habe, an die beiden schon vorhandenen und einen dritten neu einzustellenden Chemielaboranten zu übertragen. Der Arbeitnehmer ...

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