Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenausgleich mit Namensliste. Anwendbarkeit des AGG. Altersgruppen bezogene Sozialauswahl
Normenkette
AGG § 2 Abs. 4, § 7 Abs. 1, §§ 33, 10 S. 1; KSchG § 1 Abs. 5 Sätze 2, 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 1 Alt. 3; BetrVG § 111 Abs. 1 S. 3; EGRL 78/2000 Art. 6
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom … nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als … bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf … festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von der Beklagten aufgrund des am 8.9.2006 geschlossenen Interessenausgleichs und Sozialplans ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung vom ….
Der Kläger ist seit dem … bei der Beklagten als … beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt beträgt ….
Laut Angaben zur Massenentlassungsanzeige (Anlage 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006) waren bei der Beklagten im September 2006 insgesamt 5.331 Arbeitnehmer beschäftigt. Im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung des Klägers kündigte die Beklagte weiteren 618 Beschäftigten betriebsbedingt.
Beginnend ab dem 1.6.2006 fanden zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat Gespräche zur Vorbereitung eines Interessenausgleichs nebst Sozialplan statt. Auf der Grundlage dieser Gespräche und nach einer Betriebsversammlung am 16.8.2006 wurde der vereinbarte Sozialplan und Interessenausgleich Nr. 17/06 am 8.9.2006 vom Betriebsratsvorsitzenden mit Wirkung für den Betriebsrat unterzeichnet. Aufgrund der kollektiven Vereinbarungen wurden 619 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen (vgl. Anlage 15 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006).
In dem Sozialplan und Interessenausgleich Nr. 17/06 haben die Betriebsparteien unter 2 c) folgendes zur Sozialauswahl vereinbart:
„Die Sozialauswahl wird zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nach verschiedenen Altersgruppen durchgeführt. Es werden die folgenden Altersgruppen gebildet:
bis zum vollendeten 25. Lebensjahr
älter als 25 Jahre und bis zum vollendeten 35. Lebensjahr
älter als 35 Jahre und bis zum vollendeten 45. Lebensjahr
älter als 45 Jahre und bis zum vollendeten 55. Lebensjahr
älter als 55 Jahre.
Innerhalb der Kreise der vergleichbaren Beschäftigten sollen die aufgeführten Altersgruppen – bezogen auf die Altersstruktur des Betriebes – möglichst prozentual gleichmäßig betroffen werden.
Die Betroffenheit der Altersgruppe ab 55 Jahre wird dadurch erreicht, dass aus dieser Altersgruppe im gesamten Unternehmen alle diejenigen Beschäftigten eine Beendigungskündigung erhalten, die beginnend ab dem 1.10.2006 die Möglichkeit haben, nach Ablauf von 30 Monaten (12 Monate Transfergesellschaft und 18 Monate Arbeitslosengeldbezug) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) zu beziehen. Aus dieser Altersgruppe wird es im Rahmen dieser Maßnahme keine weiteren Kündigungen geben.
Die Durchführung der Sozialauswahl nach den Altersgruppen ist erforderlich zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, weil ohne Berücksichtigung der Altersgruppen die Altersstruktur erheblich verschlechtert würde.”
Innerhalb der jeweiligen Altersgruppen nahmen die Betriebsparteien eine Sozialauswahl vor, wobei die Kriterien Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung anhand eines Punktesystems berücksichtigt wurden. Dem Interessenausgleich wurde eine Namensliste beigefügt (Anlage 6 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006). Im Anhörungsschreibens vom 8.9.2006 (Anlage 15 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006) wird der Betriebsrat von der Beklagten aufgefordert, zu den ausgesprochenen Kündigungen der in der Namensliste bezeichneten Mitarbeiter Stellung zu nehmen. Mit Schreiben gleichen Datums, in dem auf beiliegende Anlagen Namensliste und Anhörung des Betriebsrats Bezug genommen wird, wurde die Schwerbehindertenvertretung zu ihrer Mitwirkung aufgefordert.
In einem mit Eingangsstempel der Agentur für Arbeit Osnabrück vom 11.9.2006 versehenen Schreiben zeigt die Beklagte an, dass 619 Mitarbeitern betriebsbedingt gekündigt werden soll. Mit Schreiben vom 22.9.2006, das den Eingangsstempel „Leitung Personal Werk Osnabrück” vom 27.9.2006 trägt, bestätigte die Bundesagentur für Arbeit, dass die Anzeige wirksam erstattet sei und die Sperrfrist am 11.10.2006 ende (Anlage 19. des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006).
Nach dem 11.9.2006 bestand für die bei der Beklagten Beschäftigten die Möglichkeit, im Rahmen eines dreiseitigen Vertrages (Anlage 7 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2006) in die bei der Beklagten gebildete Transfergesellschaft zu wechseln.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei sozialwidrig ausgesprochen worden und damit rechtsunwirksam. Mit...