Nachgehend

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.08.1993; Aktenzeichen 15 Sa 35/93)

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, den Antragsteller als Prüfstandsmechaniker im Weissacher Werk der Antragsgegnerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens 6 Ca 1849/93 weiterzubeschäftigen.

2. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird auf DM 4.200,– festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens Weiterbeschäftigung.

Der am 05.05.1958 geborene und ledige Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin seit dem 01.07.1990 als Prüfstandsmechaniker im Weissacher Werk zu einem Bruttomonatslohn von 4.200,– DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 15.02.1993 sprach die Antragsgegnerin eine betriebsbedingte Kündigung zum 31.03.1993 aus. Gegen diese Kündigung reichte der Antragsteller am 26.02.1993 eine Kündigungsschutzklage ein (6 Ca 1849/93).

Vor Ausspruch der Kündigung war der im Weissacher Werk der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat am 03.02.1993 schriftlich über die Kündigung des Antragstellers informiert worden. Am 08.02.1993 widersprach der Betriebsrat dieser Kündigung und übergab das Widerspruchsschreiben der Antragsgegnerin am 09.02.1993 (Bl. 5 d.A.).

Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG. Er hat eine eidesstattliche Versicherung des Betriebsratsvorsitzenden des Weissacher Werks der Antragsgegnerin vom 30.03.1993 vorgelegt (Bl. 4 d.A.).

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Antragsteller – bei Meidung eines Zwangsgeldes bis zu DM 500.000,–, im Falle der Nichteinbringlichkeit Zwangshaft gegen die Vorstandsmitglieder – als Prüfstandsmechaniker im Weisscher Werk der Antragsgegnerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens wie bisher weiterzubeschäftigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt im vorliegenden Verfahren insbesondere vor, daß ein Verfügungsgrund nicht bestehe und bezieht sich im übrigen auf das schriftsätzliche Vorbringen im Verfahren 6 Ga 26/93.

 

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag ist weitgehend begründet.

1. Macht der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den Weiterbeschäftigungsanspruch aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG im Wege der einstweiligen Verfügung geltend, so ergibt sich das für § 935 ZPO erforderliche besondere Sicherungsinteresse schon aus der Rechtsnatur des Anspruchs. Die Darlegung eines Verfügungsgrundes ist nicht erforderlich, denn die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung dient ausschließlich dem vorläufigen Rechtsschutz, der durch sie nicht prozessual sondern materiell rechtlich gestaltet ist (LAG Berlin Urteil vom 05.09.80, DB 80, 2449; LAG Köln Urteil vom 02.08.84, NZA 84, 300; LAG Hamburg Urteil vom 14.09.92, NZA 93, 140; Dietz-Richardi Betriebsverfassungsgesetz 6. Auflage § 102 Randnummer 241; KR-Etzel 3. Auflage § 102 BetrVG Randnummer 222).

2. Der Antragsteller hat auch einen Verfügungsanspruch dargelegt und glaubhaft gemacht.

Der Betriebsrat hat der streitgegenständlichen Kündigung frist- und formgerecht widersprochen, der Antragsteller hat binnen drei Wochen nach der Kündigung Klage nach § 4 KSchG erhoben, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist und der Antragsteller hat die vorläufige Weiterbeschäftigung von der Antragsgegnerin ausdrücklich verlangt.

Der Betriebsrat hat nach Auffassung der erkennenden Kammer am 08.02.93 der streitgegenständlichen Kündigung ordnungsgemäß widersprochen. Ein ordnungsgemäßer Widerspruch im Sinne des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG liegt vor, wenn der Betriebsrat innerhalb seiner Äußerungsfrist gegenüber dem Arbeitgeber unter Angabe von Gründen schriftlich widerspricht, wenn in dem Schreiben des Betriebsrats die Widerspruchsgründe durch Angabe von konkreten Tatsachen erläutert werden und wenn die vom Betriebsrat zur Begründung seines Widerspruchs angeführten Tatsachen es als möglich erscheinen lassen, daß einer der in § 102 Abs. 3 BetrVG angeführten Widerspruchsgründe vorliegt (KR-Etzel a.a.O. § 102 BetrVG Randnummer 142 ff; Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither Betriebsverfassungsgesetz 16. Auflage § 102 Randnummer 38 ff). Zur ordnungsgemäßen Widerspruchsbegründung bei einer betriebsbedingten Kündigung genügt es, wenn der Betriebsrat auf einen oder mehrere soziale Gesichtspunkte hinweist, die seines Erachtens vom Arbeitgeber unzureichend berücksichtigt worden sind. Hierbei muß der Betriebsrat zwar nicht einzelne Arbeitnehmer angeben, die er als sozial besser gestellt ansieht, aber er muß den Kreis der mit dem betroffenen Arbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer hinreichend bestimmt oder bestimmbar bezeichnen (KR-Etzel a.a.O. Randnummer 151).

Im Widerspruchsschreiben vom 08.02.93 hat der Betriebsrat u.a. der Antragsgegnerin mitgeteilt, daß in drei näher bezeichneten Abteilungen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätig...

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