Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

dreimonatige Kündigungsfrist des § 113 InsO in Kollision zu tariflich längeren Kündigungsfristen. Masseunzulänglichkeit durch weitere mögliche Ansprüche gegen die Konkursmasse?

 

Leitsatz (amtlich)

Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Gemeinschuldnerin fand der MTV für die Arbeitnehmer/Innen des Einzelhandels in B-W Anwendung. Aufgrund ihrer Betriebszugehörigkeit betrug danach die Kündigungsfrist 6 Monate zum Monatsende. Der Beklagte kündigte gem. § 113 InsO mit dreimonatiger Frist.

Die Klägerin verlangte zudem ausstehende Vergütung, bzgl. derer der Beklagte den Einwand der Masseunzulänglichkeit erhob.

Nach verfassungskonformer Auslegung des § 113 InsO vor Inkrafttreten der InsO insgesamt am 01.01.1999 läßt dieser tarifvertraglich längere Kündigungsfristen unberührt, da ansonsten ein Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleistete Koalitionsfreiheit vorläge.

Masseunzulänglichkeit ist nicht ausreichend dargelegt, wenn nur auf nicht tatsächlich geltendgemachte Differenzlohnansprüche anderer Arbeitnehmer verwiesen wird, da es sich dabei lediglich um fiktive Ansprüche handelt.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Tariflich längere Kündigungsfristen werden nicht von der Frist des § 113 InsO im Konkurs verdrängt.

2. Masseunzulänglichkeit kann nicht auf der Basis fiktiver weiterer Ansprüche gegen die Konkursmasse eingewandt werden.

 

Normenkette

GG Art. 9; InsO § 113; KO § 59 Abs. 1; MTV Einzelhandel B-W § 22 Ziff. 2

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin durch die Kündigung des Beklagten vom 20.5.1998 nicht zum 31.8.1998 aufgelöst worden ist, sondern bis zum Ablauf des 30.11.1998 fortbestanden hat.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 4.986,59 netto (restliche Vergütung für Mai bis August 1998) nebst 4 % Zinsen hieraus seit 24.11.1998 zu bezahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird auf DM 17.481,59 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die am 28.03.1945 geborene, geschiedene Klägerin, die zwei Personen zum Unterhalt verpflichtet ist, war bei der Gemeinschuldnerin seit 01.10.1985 als Filialleiterin in Stuttgart beschäftigt. Sie erzielte ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von DM 4.165,00, das netto DM 2.792,45 entspricht. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung ebenso wie der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/-innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg. Ein Betriebsrat ist eingerichtet.

Am 29.04.1998 kam zwischen der Gemeinschuldnerin, deren Betriebsrat und dem Beklagten ein Interessenausgleich zustande, in dem vereinbart wurde, den Einzelhandel zu schließen und die Produktion mit noch 38 Mitarbeitern fortzuführen (Bl. 15 ff. d. A.). Am 01.05.1998 wurde die Klägerin unter Anrechnung der Urlaubsansprüche freigestellt und bezog ab 01.05.1998 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich DM 50,27 (Bewilligungsbescheid Bl. 47 d. A.).

Am 01.05.1998 eröffnete das Amtsgericht Neu-Ulm das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin.

Mit Schreiben vom 20.05.1998, der Klägerin am 22.05.1998 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf § 113 Insolvenzordnung (InsO) betriebsbedingt zum 31.08.1998 (Bl. 3 d. A.).

Unstreitig hat die Klägerin als einzige Differenzlohnansprüche gerichtlich geltend gemacht. Titel anderer Art gibt es hinsichtlich der Differenzlöhne ebenfalls nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, daß der Beklagte die Kündigung lediglich mit der sechsmonatigen tariflichen Frist hätte aussprechen dürfen Außerdem verlangt sie die Differenzvergütung zum erhaltenen Arbeitslosengeld für den Zeitraum Mai bis August 1998 als Masseschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 und/oder Nr. 2 KO.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin durch die Kündigung des Beklagten vom 20.05.1998 nicht zum 31.08.198 aufgelöst worden ist, sondern bis zum Ablauf des 30.11.1998 fortbestanden hat.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an sie DM 4.986,59 netto (restliche Vergütung für Mai bis August 1998) nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klageerweiterung zu bezahlen.

3. Hilfsweise: Es wird festgestellt, daß der Beklagte im Falle von Zulänglichkeit der Masse verpflichtet ist, an sie einen Differenzlohn in Höhe von DM 4.986,59 netto (restliche Vergütung für Mai bis August 1998) nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klageerweiterung zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, eine Nettozahlungsklage sei nicht zulässig. Außerdem macht er den Einwand der Gefahr der Masseunzulänglichkeit geltend, da hochgerechnet ca. DM 2,1 Mio. allein an Differenzlohnansprüchen drohen würden und die Masse derzeit nicht einmal für einen Bruchteil hiervon ausreiche. Der der Gemeinschuldnerin gewährte Kredit von DM 1 Mio. sei bereits um DM 74.000,00 überzogen, Forderungen aus Leistungen und Lieferungen an die kreditgebende Bank abgetreten und es bestünde...

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