Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen das AGG. Diskriminierung wegen des Geschlechts bei der Einstellung

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 1.500,00 EUR zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/5, die Beklagte 3/5 zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger anlässlich seiner Bewerbung um folgende vom Schulverwaltungsamt im Amtsblatt der Beklagten ausgeschriebenen Stelle

Betreuungskräfte und Springkräfte im Rahmen der Verlässlichen Grundschule in Teilzeit

baldmöglichst – befristet bis zum 9. September 2007 – für verschiedene Grund- und Förderschulen im gesamten Stadt-gebiet S.t gesucht. Eine Ausbildung als Erzieher/in oder eine gleichwertige Ausbildung setzen wir voraus. Mitbringen sollten Sie außerdem: Kreativität, Flexibilität und kommunikative Fähigkeiten. Besonderen Wert legen wir auf Eigeninitiative und organisatorische Begabung.

Die Kinder (ca. 25 Kinder pro Gruppe) werden teilweise vor dem Unterricht von ca. 7.30 bis 8.30 Uhr, und nach Unterrichtsende von ca. 11.30bis 14 Uhr betreut.

Die Eingruppierung erfolgt je nach Vorbildung und Vorliegen der tarifrechtlichen Voraussetzungen von Entgeltgruppe 5 bis Entgeltgruppe 6 TVöD. Für weitere Auskünfte zu den Stellen stehen Ihnen Herr M., Telefon, Frau Me., Telefon und Frau S., Telefon, gerne zur Verfügung.

Bewerbungen richten Sie bitte unter Angabe der Kennzahl an das L. S., 7. S..

wegen seines Geschlechts diskriminiert hat.

Um diese Stelle hat sich der Kläger, verheirateter Magister Artium der Fächer Pädagogik und Berufspädagogik der Universität Stuttgart, Musikpädagoge, freiberuflich mit seiner Ehefrau als Duo con Anima in feierlichen Umrahmungen und Kammerkonzerten auftretender und damit seine und seiner Ehefrau wirtschaftliche Existenz sichernder Konzertpianist, Violinist, Bratschist, mit Schreiben vom 06.11.2006 beworben. Mit Schreiben vom 05.12.2006 ist ihm folgende Absage erteilt worden:

”Ihre Bewerbung

Kennzahl

Sehr geehrter Herr R.,

wir beziehen uns auf Ihre Bewerbung um eine Stelle beim Schulverwaltungsamt.

Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass die Wahl auf Mitbewerberinnen gefallen ist.

Wir bedauern, Ihnen keine andere Nachricht geben zu können und bedanken uns nochmals für Ihr Interesse.

Mit freundlichen Grüßen”

Mit der am 23.12.2006 bei Gericht eingegangenen Klage, unter Ziffer 2 seines Schreibens an das Gericht vom 12.01.2007 (Akt.Bl. 36) erstmals beziffert und mit Schreiben vom 30.03.2007 unter Ziffer 5 (Akt.Bl. 73) betragsmäßig erweiterten Klage möchte der Kläger Entschädigung wegen Diskriminierung in Höhe von EUR 2.500,00 erstreiten.

Soweit für die Entscheidung dieses Rechtsstreits von Bedeutung ist der Kläger der Auffassung, dass die Beklagte ihn wegen seines Geschlechts, § 1 AGG, bei der Stellenbesetzung benachteiligt habe. Von seiner Ausbildung her sei er für eine der ausgeschriebenen Stellen geeignet, auch habe er sich um eine solche Beschäftigung ernsthaft bemüht, da er und seine Frau auf jeden Zuverdienst angewiesen seien. Da seine Auftritte als Künstler in der Regel außerhalb der Einsatzzeiten als Springkraft lägen, hätte er eine solche Tätigkeit auch ohne Schwierigkeiten ausüben können.

Der Kläger beantragt,

die beklagte L. zur Zahlung einer Entschädigung aus Anlass seiner Bewerbung um eine Stelle als Betreuungskraft im Rahmen der verlässlichen Grundschule (Amtsblatt der Stadt S. vom 02.11.2006), Kennzahl, in Höhe von EUR 2.500,00 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei für die ausgeschriebenen Stellen von seiner qualifizierten Ausbildung her nicht in Frage gekommen. Der dort zu erzielende Verdienst sei seiner Ausbildung nicht angemessen. Außerdem sei die Bewerbung nicht ernst gemeint, weil er sich zusätzlich noch um ausgeschriebene Stellen als Bezirksvorsteher beworben habe, und zwar ungeachtet der fehlenden beruflichen Voraussetzungen dafür. Dem Kläger ginge es nur um eine Entschädigung, nicht um ernsthafte Bewerbungen. Es lägen noch nicht einmal Indizien vor, die den Schluss auf eine Benachteiligung wegen des Geschlechts zuließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Parteivorbringen verwiesen, soweit es denn entscheidungserheblich ist.

Der gerichtlichen Aufforderung,

neben den Ausschreibungsunterlagen mit der Kennzahl vorzulegen das Anforderungsprofil für die ausgeschriebenen Stellen bzw. Stellenbeschreibungen dafür, des Weiteren die Auswahlkriterien, schließlich offen zu legen, wie viele männliche und wie viele weibliche Beschäftigte auf diesen Stellen eingesetzt sind (Letzteres wegen der nicht auszuschließenden mittelbaren Diskriminierung gemäß § 3 Abs. 2 AGG)

ist die Beklagte nicht nachgekommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Vorbemerkung: Der Kläger hat mehr oder weniger wahllos Schreiben und Eingaben an das Ge...

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