Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche des Arbeitnehmers auf „equal pay” gem. § 10 Abs. 4 AÜG nach Feststellung der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP). Verfall nach den Ausschlussfristen des mit mehreren Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes geschlossenen Manteltarifvertrages. Allgemeine Arbeitsbedingung. Ausschlussfrist. CGZP. Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit. Intransparenz. Leiharbeit. Transparenzgebot. equal pay
Leitsatz (amtlich)
1. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne ist jedenfalls dann (noch) nicht gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, wenn sämtliche Einzeltarifverträge des mehrgliedrigen Tarifvertrages wortidentisch in einer einzigen Vertragsurkunde enthalten sind und es daher inhaltlich nur „ein” Regelungswerk gibt.
2. Vertragliche Ausschlussfristen für Ansprüche auf „equal pay”, die infolge der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) erhoben werden, beginnen spätestens mit dem Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 (23 TaBV 1016/09) zu laufen.
Normenkette
AÜG § 10 Abs. 4; BGB § 307 Abs. 1 S. 2
Tenor
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.) Der Streitwert wird auf 67.134,69 EUR festgesetzt.
4.) Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche auf „equal pay” nach § 10 Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG.
Der Kläger ist seit dem 10.04.2006 bei der Beklagten beschäftigt, einem Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, welches Arbeitnehmer mit behördlicher Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen vom 24.03.1977 gemäß den Regelungen des AÜG „verleiht”. Ab dem 10.06.2006 wurde er von der Beklagten bei der U Niederlassung B-Stadt (im Folgenden: Entleiher) als Stromableser eingesetzt, seine spätere Tätigkeit ist zwischen den Parteien streitig. Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
„1. … Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).
6.4 Die Vergütung wird nach Abzug der gesetzlichen Beiträge, wie Steuern und Sozialversicherung, monatlich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein vom Mitarbeiter anzugebendes Konto überwiesen…
14. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten…”
Nach dem Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 (23 TaBV 1016/09), in welchem dieses der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) die Tariffähigkeit absprach, schloss der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) am 15.03.2010 mit der CGZP, der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV, dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) sowie der Gesundheitsgewerkschaft medsonet auf Gewerkschaftsseite einen Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV CGB) – gemäß dessen Ziffer 25 größtenteils rückwirkend zum 01.01.2010 –, der auszugsweise wie folgt lautet:
„Präambel
Die zwischen AMP und CGZP abgeschlossenen Tarifverträge, und zwar Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträge West und Ost, Manteltarifvertrag für die Auszubildenden sowie Beschäftigungssicherungstarifvertrag werden nunmehr auf Arbeitnehmerseite neben der CGZP auch von CGM, DHV, BIGD, ALEB und medsonet jeweils als selbstständige Tarifvertragspartei abgeschlossen. Die Tarifverträge sind also jeweils ein „mehrgliedriger Tarifvertrag im engeren Sinne” und nicht ein „Einheitstarifvertrag” im Sinne der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Jede Tarifvertragspartei kann ihre Rechte hinsichtlich des jeweiligen Tarifvertrages (z.B. Kündigung, Vereinbarung von Änderungen der tarifvertraglichen Bestimmungen) selbstständig und unabhängig von den übrigen Tarifvertragsparteien ausüben.”
19.2 Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.
19.3 Ansprüche, die nicht innerhalb dieser...