rechtskräftig!

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kann der Anspruch auf Reisespesen vertraglich ausgeschlossen werden?

 

Leitsatz (amtlich)

Ein im Außendienst tätiger Mitarbeiter kann vom Arbeitgeber die Erstattung der ihm entstehenden Reisekosten sowie des Verpflegungsmehraufwands verlangen (§ 670 BGB).

Dieser Anspruch kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Etwas anderes gilt nur bei ungewöhnlich hohen Einkommen, wenn bei deren Bemessung die Reisekosten bereits berücksichtigt sind.

 

Normenkette

BGB §§ 670, 138; EStG § 3 Ziff. 16

 

Tenor

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.035,17 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.12.1992 zu zahlen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

3) Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.035,17 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.04.1992 wurde zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet.

Der verheiratete Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.11.1992 als Vertriebsbeauftragter beschäftigt.

Der Kläger macht in der Höhe unstreitige Spesenansprüche für die Monate August und September 1992 in Höhe von insgesamt 1035,17 DM netto geltend. § 8 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages hat folgenden Wortlaut:

Freiwillige Leistungen in Form von Sonderzahlungen, vermögenswirksame Leistungen und die Gewährung von Spesen für die Aussendiensttätigkeit sind immer unter Vorbehalt von der Firma gewährt und als reine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, auch wenn sie wiederholt und ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit erfolgen, und begründen keinen rechtlichen Anspruch für die Zukunft.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1035,17 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 12.12.1992 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, daß der Kläger aufgrund der in § 8 des Arbeitsvertrages vereinbarten Freiwilligkeit der Leistungen keinen Rechtsanspruch auf Zahlung der geltend gemachten Spesen hat. § 8 des Arbeitsvertrages sei wirksam, da die darin enthaltenen Regelungen von dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Vertragsfreiheit umfaßt seien. Wegen der Einzelheiten des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Beide Parteien waren mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden gemäß § 55 III ArbGG einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage mußte Erfolg haben.

Jeder Arbeitnehmer kann auch ohne vertragliche Zusage die Erstattung der ihm entstandenen, dienstlich veranlaßten Reisekosten sowie den Ersatz des Verpflegungsmehraufwandes verlangen. Dieser Anspruch folgt aus § 670 BGB, was in Rechtsprechung (BAG, Urt.v. 01.02.1963, AP Nr. 10 zu § 670 BGB) und Literatur (MünchArbR-Blomeyer, Bd. 1, § 94, Rn. 66) einhellig anerkannt ist.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien in § 8 des Arbeitsvertrages vereinbart, daß die Gewährung von Spesen durch die Beklagte immer unter Vorbehalt erfolgt und als reine freiwillige Leistung, auch wenn die Spesen wiederholt und ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit gewährt werden, keinen rechtlichen Anspruch für die Zukunft begründet. Diese Vereinbarung kann indes nicht als rechtswirksam anerkannt werden. Bei den zuvor erwähnten Reisekosten handelt es sich um Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer zwangsläufig bei einer Tätigkeit im Außendienst entstehen und daher vom Arbeitgeber zu ersetzen sind. Von einem Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen kann nicht erwartet werden, daß er die Reisekosten aus eigenen Mitteln übernimmt; denn dadurch würde sein Verdienst unangemessen geschmälert, unter Umständen sogar völlig aufgezehrt. Bei einer entsprechenden Vereinbarung handelt es sich um eine Knebelungsabrede, die gemäß § 138 BGB als rechtsunwirksam anzusehen ist. Etwas anderes könnte nur bei Arbeitnehmern mit ungewöhnlich hohen Einkommen gelten, wenn dabei die anfallenden Reisekosten bereits berücksichtigt sind. Diese Ausnahme gilt aber nicht für den vorliegenden Fall; denn der Kläger hat monatlich „lediglich” 2.176,84 DM netto verdient und soll davon 674,24 DM bzw. 360,93 DM Reisespesen tragen. Dadurch bliebe ihm nicht einmal der unpfändbare Betrag erhalten.

Die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht ergibt auch ein Blick auf das Steuerrecht. Nach § 3 Ziffer 16 EStG zählen nämlich die vom Arbeitgeber gezahlten Reisekosten nicht zum steuerpflichtigen Einkommen des Arbeitnehmers – und zwar deshalb, weil sie tatsächliche Aufwendungen des Arbeitnehmers ausgleichen und deshalb vom Gesetzgeber nicht der Einkommenssteuer unterworfen werden.

Es war daher wie erfolgt zu entscheiden.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 284, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes wurde gemäß den §§ 61 I ArbGG, 3 ZPO im Urteil festgesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 939501

BB 1993, 1592

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