Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.422,00 DM netto abzüglich den sich aus 1.120,00 DM brutto ergebenden Nettobetrag nebst 4 % Zinsen seit dem 10.09.1996 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 302,00 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Großbetrieb für Back- und Teigwaren, als Frischdienstfahrverkäufer seit 1979 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Berliner Brot- und Backwarenindustrie in der Fassung vom 01.01.1989 Anwendung. Dessen § 14 Abs. 1 und 2 lauten wie folgt:

„1. Ansprüche aus diesem Tarifvertrag sind jeweils am 28. Februar des Vorjahres oder einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verwirkt.

2. Ansprüche auf Bezahlung von Mehrarbeitsvergütung sowie auf Zahlung von Zuschlägen müssen innerhalb eines Monats nach Fälligkeit geltend gemacht werden, anderenfalls sie verwirkt sind.”

Der Kläger ist an zahlreichen Tagen im Monat für die Beklagte im Großraum Berlin und auch in Brandenburg mit einem Verkaufsfahrzeug unterwegs. Für diese Abwesenheitstage hat die Beklagte seit Juni 1992 an den Kläger pro Tag 9,– DM netto als Reisekosten/Spesen gezahlt. Vorher wurden ab 1987 5,– DM pro Tag geleistet. Mit Wirkung zum 01.01.1996 hat die Beklagte diese Zahlungen eingestellt und leistet seitdem pauschal 140,– DM brutto monatlich.

Sowohl der zwischen den Parteien geltende Arbeitsvertrag als auch der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Tarifvertrag enthalten diesbezüglich keine Regelung.

Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm aufgrund betrieblicher Übung bei der Beklagten seit dem Jahre 1987 ein Anspruch auf Zahlung von 9,– DM netto für jeden Abwesenheitstag auch weiterhin zusteht. Im übrigen dürften etwaige Änderungen des Jahressteuergesetzes 1996 nicht zu seinen Lasten gehen, so daß er auch einen Nettobetrag beanspruchen könne.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 1.422 netto abzüglich dem sich aus 1.120,– DM ergebenden Nettobetrag nebst 4 % Zinsen seit dem 10.09.1996 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, daß dem Kläger über den von ihr freiwillig gezahlten pauschalen Betrag i. H. v. 140,– DM brutto hinaus ein weiterer nicht zustehe, da die Änderungen des Jahressteuergesetzes 1996 sie zwingen würden die an den Kläger zu leistenden Beträge zu versteuern. Die Steuerlast müßte jedoch den Kläger treffen.

Ferner vertritt sie die Meinung, daß aufgrund der tariflichen Ausschlußfristen die Ansprüche des Klägers zumindest zum Teil verwirkt seien, da auch diese Leistungen von den Fristen erfaßt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht der zu zahlende Differenzbetrag i.H.v. 302,– DM -und zwar netto- gegen die Beklagte zu.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich aufgrund betrieblicher Übung der Beklagten seit dem Jahre 1987. Eine betriebliche Übung kann dann anzunehmen sein, wenn Gesetz, Rechtsverordnung, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung keine Regelungen über bestimmte Inhalte des Arbeitsverhältnisses enthalten, eine Partei jedoch glaubt, daß ihr ein Anspruch deshalb zustehe, weil seit längerer Zeit eine konkrete Leistung unabhängig von dem Bestehen einer solchen Regelung gewährt wurde und sie davon ausgehen durfte, diese auch weiterhin zu erhalten.

Voraussetzung ist somit, daß ein bestimmtes Verhalten vom Arbeitgeber oder auch vom Arbeitnehmer immer wieder vorgenommen wurde, welches nicht gegen zwingendes Recht verstößt und den „objektiven Tatbestand einer bindenden Zusage gesetzt hat” (BAG DB 1986, 1627 = NJW 1987, 2101, 2102).

Die Beklagte hat unstreitig seit 1987 freiwillig ohne entsprechende arbeitsvertragliche, gesetzliche und tarifliche Verpflichtung zu nächst 5,– DM und ab Juni 1992 9,– DM an den Kläger gezahlt. Sie hat auch nicht ausgeführt, daß sie diese monatlichen Zahlungen für jeden Tag der Abwesenheit unter Vorbehalt geleistet hat und dieser Vorbehalt immer wieder neu erklärt wurde, so daß ein Vertrauenstatbestand nicht hätte geschaffen werden können. Der Beklagten ist auch nicht darin zuzustimmen, daß sie diese Zahlungen gerade nicht nach einem Brauch geleistet habe, sondern vielmehr auf grund bestehender gesetzlicher Verpflichtungen, weil es eine solche Verpflichtung nicht gegeben hat und auch nicht gibt. Wenn die Beklagte die Zahlung der 9,– DM für jeden Abwesenheitstag an den Kläger nicht mehr hat zahlen wollen, so hätte es im Zweifel nach Ansicht der erkennenden Kammer einer Änderungskündigung bedurft, da die zunächst freiwillig erfolgte Zahlung im Laufe der Zeit zu einem Anspruch des Kläger geführt hat, welcher sich letztendlich aus dem Arbeitsvertrag, konkretisiert durch die einen Vertrauenstatbestandschaffende betriebliche Übung ergibt. Die Beklagte hat aber lediglich -und dieses nach entsprechender Äußerung des Beklagtenvertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zuletzt aus buchhalterischen Erwägungen- zur ...

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