Prof. Dr. Reinhard Vossen
Rz. 210
Das Bedürfnis nach einer vorläufigen Regelung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergibt sich insbesondere aus § 894 ZPO, wonach die eingeklagte Willenserklärung, hier die Zustimmung des Arbeitgebers zur Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung, erst mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. §§ 935, 940 ZPO sind im Arbeitsgerichtsverfahren nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG anwendbar. Eine einstweilige Verfügung im Hinblick auf den Anspruch auf Verringerung sowie auf geänderte Verteilung der Arbeitszeit ist zulässig, da nur so effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann. In der Sache handelt es sich bei einer solchen Verfügung um eine sog. Leistungsverfügung. Diese unterliegt jedoch strengen Voraussetzungen, da durch ihren Erlass die Hauptsache regelmäßig vorweggenommen wird. Voraussetzungen sind, wie auch sonst bei einer einstweiligen Verfügung, ein Verfügungsanspruch sowie ein Verfügungsgrund.
9.6.1 Verfügungsanspruch
Rz. 211
Ein Verfügungsanspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer glaubhaft macht (§§ 294 Abs. 1, 920 Abs. 2, 936 ZPO i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG), dass ihm ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit bzw. auf die geänderte Verteilung zusteht. Der Arbeitgeber muss dem entgegentreten, indem er das Entgegenstehen betrieblicher Gründe glaubhaft macht. Sind die von beiden Parteien jeweils glaubhaft gemachten Gründe für das Teilzeitverlangen bzw. dessen Ablehnung in etwa gleichgewichtig, kann die einstweilige Verfügung nur erlassen werden, wenn ein Obsiegen des Arbeitnehmers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist.
9.6.2 Verfügungsgrund
Rz. 212
Ein Verfügungsgrund liegt nur ausnahmsweise vor, wenn bei Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren wesentliche Nachteile entstehen und damit die einstweilige Verfügung zur Abwehr dieser Nachteile erforderlich erscheint. Die konkreten Anforderungen hierfür werden je nach Einzelfall unterschiedlich definiert. Die zu erwartende Prozessdauer des Hauptsacheverfahrens allein reicht hierfür nicht aus. Anerkannt wurden aber zwingende familiäre Verpflichtungen, wie z. B. die Kinderbetreuung oder die notwendige Pflege eines nahen Angehörigen.
Besteht zugunsten des Arbeitnehmers gemäß § 3 Abs. 4 PflegeZG ein Anspruch auf Pflegeteilzeit zur Betreuung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen, kommt eine einstweilige Verfügung zur Durchsetzung dieses Anspruchs in Betracht. Entsprechendes gilt für einen Anspruch auf Familienpflegeteilzeit nach §§ 2 Abs. 1, 2a Abs. 1 FPfZG.