Rz. 11
Dürfen Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen insoweit vom BUrlG abweichen, als jedenfalls keine für den Arbeitnehmer nachteiligen Vereinbarungen im Verhältnis zu den Mindestbedingungen des BUrlG getroffen werden, stellt sich die Frage, wie die Prüfung konkret zu erfolgen hat. Vor der Einführung des § 13 Abs. 1 BUrlG führte die Rechtsprechung einen Sachgruppenvergleich durch: Danach wurden nicht einzelne Vorschriften zueinander ins Verhältnis gesetzt, sondern eine Gruppenabwägung dahin vorgenommen, dass die in einem inneren Zusammenhang stehenden Vorschriften in Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen einerseits und diejenigen des Gesetzes sinnvoll verbunden und gegeneinander abgewogen wurden. Dadurch sollte verhindert werden, dass einzelne günstige Bestimmungen aus einem Gesamtkomplex herausgepickt werden ("Rosinentheorie"), während andere Bestimmungen, die hiermit in Zusammenhang standen, außen vor geblieben wären. Solche Gruppenvergleiche sind nunmehr hinfällig.
Rz. 12
Nach der expliziten Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG ist ein Einzelvergleich vorzunehmen. D. h., dass im Verhältnis von Arbeitsvertrag und BUrlG sowie Betriebsvereinbarung und BUrlG die jeweilige Regelung dahin zu überprüfen ist, ob sie im Verhältnis zum BUrlG für den Arbeitnehmer günstiger ist. Dasselbe gilt auch für das Verhältnis von Tarifvertrag und BUrlG, soweit der Tarifvertrag von den Regelungen der §§ 1–3 Abs. 1 BUrlG abweicht. Gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gilt in diesem Bereich das tarifvertragliche Vorrangprinzip nicht.
Rz. 13
"Bestimmung" i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG darf dabei nicht fälschlicherweise als Paragraf verstanden werden. Auch innerhalb eines Paragrafen können sehr unterschiedliche Bestimmungen zusammengefasst sein. So enthält insbesondere § 7 BUrlG eine Vielzahl von Bestimmungen, die bei einem Vergleich mit einer vertraglichen Vereinbarung oder einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung jeweils einzeln zu betrachten sind: § 7 Abs. 3 BUrlG regelt die Übertragbarkeit von Urlaub auf das nächste Kalenderjahr, § 7 Abs. 4 BUrlG dagegen die Urlaubsabgeltung.
Rz. 14
Findet der Günstigkeitsvergleich zwischen Arbeitsvertrag und BUrlG statt, erfolgt eine individuelle Prüfung im jeweiligen Arbeitsverhältnis.
Soweit Regelungen einer Betriebsvereinbarung mit dem BUrlG zu vergleichen sind, muss der Günstigkeitsvergleich entsprechend den Regeln im Verhältnis zwischen Tarifvertrag und BUrlG folgen (s. Rz. 7). Es ist deshalb nicht nur auf die Auswirkungen im Arbeitsverhältnis desjenigen Arbeitnehmers abzustellen, der Ansprüche geltend macht. Vielmehr sind die Auswirkungen auf alle von der Betriebsvereinbarung erfassten Arbeitnehmer zu betrachten. Maßgeblich sind dennoch die Arbeitnehmer als Individuen, nicht jedoch ein kollektiver Günstigkeitsvergleich (s. Rz. 7).
Folge des Günstigkeitsprinzips ist, dass die vom BUrlG zulasten des Arbeitnehmers abweichende Regelung unwirksam ist. Dies gilt auch soweit die Abweichung im Tarifvertrag wegen eines Eingriffs in §§ 1–3 Abs. 1 BUrlG nicht zulässig war. An die Stelle der unwirksamen Regelung tritt die gesetzliche Regelung.