Leitsatz
Der Antragsteller begehrte die Aufhebung der zwischen dem Antragsgegner zu 1. und der Antragsgegnerin zu 2. am 21.10.2008 geschlossenen Ehe.
Das AG gab der Klage statt und hat die Ehe gemäß § 313 BGB aufgehoben, da nach seiner Auffassung die Voraussetzungen der §§ 1304, 1314 Abs. 1 BGB vorlagen. Zur Begründung führte das erstinstanzliche Gericht aus, die Beweisaufnahme habe ergebe, dass der Antragsgegner zu 1. infolge seiner krankhaften Störung nicht in der Lage gewesen sei, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung zu erfassen und seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen.
Gegen dieses Urteil richtete sich die Berufung der Antragsgegnerin zu 2., die als Betreuerin für den Antragsgegner zu 1. vom AG bestellt worden war. Die Betreuung umfasste die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Finanzen und sonstige Vermögensangelegenheiten, Rentenangelegenheiten, Post- und Fernmeldekontrolle sowie Behördenvertretung.
Zur Begründung ihrer Berufung führte die Antragsgegnerin zu 2. aus, das AG habe die Zeugenaussagen der Dres. H. und A. falsch gewürdigt. Im Übrigen habe es seine Entscheidung auf lange zurückliegende Sachverständigengutachten gestützt, während es ausschließlich auf den geistigen Zustand des Antragsgegners zu 1. im Zeitpunkt der Eheschließung angekommen sei.
Die Antragsgegnerin zu 2. hat beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt entgegen der vom AG vertretenen Auffassung die Aufhebung der Ehe für nicht gerechtfertigt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen der §§ 1314 Abs. 1 i.V.m. § 1304 BGB am Tage der Eheschließung, dem 21.10.2008, vorgelegen hätten, der Antragsgegner zu 1. also an diesem Tage geschäftsunfähig gewesen wäre.
Die Verwehrung der Eheschließung mangels Geschäftsfähigkeit betreffe die verfassungsrechtlich garantierte Eheschließungsfreiheit des Antragsgegners zu 1. Die Frage der Ehegeschäftsunfähigkeit hänge nicht allein von der Intensität der Geistesstörung ab, sondern von der Frage, ob die Geistesstörung die Einsicht in die Bedeutung der Ehe und die Freiheit des Willensentschlusses zur Eingehung der Ehe beeinträchtige (BayObL FamRZ 2003, 373). Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten grundsätzlichen Überlegungen kam das OLG nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsgegner zu 1. für den Zeitpunkt der Eheschließung nicht von einer Geschäftsunfähigkeit die Eheschließung betreffend ausgegangen werden könne.
Insbesondere der behandelnde Arzt Dr. B., der den Antragsgegner zu 1. seit Mitte des Jahres 2007 kenne, habe bekundet, dass die Gedächtnisleistung nicht vollständig aufgehoben gewesen sei. Nachdem die medikamentöse Behandlung im Jahre 2007 umgestellt worden sei, habe sich ein eindeutig besseres Bild bei dem Antragsgegner zu 1. feststellen lassen. Der Gesundheitszustand im Oktober 2008 sei jedenfalls deutlich besser gewesen, als der gegenwärtige Gesundheitszustand nach erneuten Schlaganfällen.
Im Oktober 2008 sei es möglich gewesen, mit dem Antragsgegner zu 1. zu sprechen. Die Gespräche seien zwar in sehr einfacher Art und Weise mit sehr einfachen Worten geführt worden, der Antragsgegner habe jedoch immer erkannt und gewusst, wer er sei und welche Aufgabe Dr. B. habe.
Auch die den Antragsgegner zu 1. behandelnde Hausärztin Frau Dr. A. habe ausgeführt, sie sei im Oktober 2008 der Auffassung gewesen, dass der Antragsgegner zu 1. geschäftsfähig sei.
Bereits nach den Aussagen der den Antragsgegner zu 1. behandelnden Ärzte sei davon auszugehen, dass der Antragsgegner zu 1. den Sinn einer Ehe und die Veränderung in seinem Leben durch eine Eheschließung erkannt habe und habe begreifen können.
Letzte Zweifel an der Einsichtsfähigkeit und Selbstbestimmtheit der Entscheidung des Antragsgegners zu 1. seien durch die angehörte Standesbeamtin ausgeräumt. Sie habe glaubhaft bekundet, dass nach ihrem Eindruck der Antragsgegner zu 1. am Tage der Eheschließung die an ihn gerichteten Fragen betreffend die Eheschließung verstanden habe und aus ihrer Sicht keine Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit bestanden hätten.
Im Ergebnis hat daher das OLG die Entscheidung des AG abgeändert und den Antrag auf Aufhebung der geschlossenen Ehe zurückgewiesen.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 07.07.2010, 13 UF 55/09